Mit Nahrungsergänzungsmitteln lässt sich viel Geld verdienen. Vitamin D ist dafür hervorragend geeignet. Als einziges Vitamin wird es nur zu einem geringen Teil über die Ernährung aufgenommen und zu etwa 80 % in der Haut, mithilfe von Sonnenlicht, gebildet. Vor allem im Winter treffen aber nur wenig Sonnenstrahlen auf menschliche Haut. Deshalb erweckt die Werbung oft den Eindruck, dass alle Deutschen zumindest in den Wintermonaten Vitamin-D-Präparate einnehmen sollten, um ausreichend versorgt zu sein.
Nicht nur für die Knochen wichtig
Richtig ist, dass Vitamin D für den Menschen lebensnotwendig ist. Er braucht es vor allem für die Knochenstabilität, das Immunsystem und die Muskelfunktion. Außerdem kann eine gute Versorgung mit dem Vitamin vor akuten Atemwegserkrankungen schützen.
In manchen Werbeaussagen finden sich jedoch auch Hinweise darauf, dass eine verbesserte Versorgung mit Vitamin D Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Erkrankungen des Nervensystems vorbeugen könne. Solche Aussagen sind wissenschaftlich nicht belegt und auch nicht erlaubt.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, die Versorgung nach Möglichkeit durch die körpereigene Bildung durch Sonnenstrahlen und zusätzlich über die Ernährung, zum Beispiel mit fettem Seefisch, zu sichern. Der Körper kann Vitamin D speichern. Wer sich also von Frühjahr bis zum Herbst viel draußen aufhält, sollte mit dem gespeicherten Vitamin D gut über den Winter kommen. Diese Meinung vertritt auch Prof. Helmut Schatz vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Auch im Winter würden sich Spaziergänge lohnen, denn selbst wenn der Himmel bedeckt sei, würde in der Haut noch Vitamin D gebildet.
Wann besteht ein Mangel?
Bei einem Bluttest wird das 25-Hydroxyvitamin-D, kurz 25(OH)D, im Blutserum bestimmt. Dieser Wert wird in nmol/l oder in ng/ml angegeben. Für die Umrechnung von nmol/l in ng/ml wird der Wert durch 2,5 geteilt.
Bei der Beurteilung orientiert sich das Robert-Koch-Institut (RKI) an der Klassifizierung des US-amerikanischen Institute of Medicine (IOM). Demnach gilt:
- Optimal ist ein Wert zwischen 20 und 30 ng/ml.
- Bei Serumwerten zwischen 12 und 20 ng/ml liegt eine suboptimale Versorgung vor.
- Von einem Mangel ist bei Werten unter 12 ng/ml die Rede.
- Bei Werten über 50 ng/ml kann es zu negativen gesundheitlichen Folgen kommen, wie Störungen des Calciumstoffwechsels, die zu Herzrhythmusstörungen und Nierensteinen führen können.
Mangel oft bei Älteren
Bestimmten Personengruppen ist das aber nicht möglich bzw. die Eigensynthese reicht nicht aus. Dann kann eine Supplementierung, also eine zusätzliche Gabe, von Vitamin D sinnvoll sein, sagt die DGE. Zu den Risikogruppen gehören Menschen,
- die älter sind als 65 Jahre. Im Alter lässt die Eigenproduktion von Vitamin D nach. Frauen sind stärker betroffen als Männer.
- die in Pflegeheimen leben. Sie sind häufig in ihrer Mobilität eingeschränkt und halten sich selten in der Sonne auf.
- die ihre Haut gar nicht der Sonne aussetzen, zum Beispiel aufgrund einer Sonnenallergie oder aus religiösen Gründen.
- die eine dunkle Hautfarbe haben. Der hohe Melaningehalt der Haut lässt weniger UVB-Strahlen der Sonne durch.
Eine Unterversorgung mit Vitamin D kann langfristig dazu führen, dass die Knochen entkalken und dadurch erweichen. Besonders gefährlich ist das bei Säuglingen und Kleinkindern. Bei ihnen droht eine Rachitis, also eine schwerwiegende Störung des Knochenwachstums. Um dem vorzubeugen, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde bei allen Säuglingen die tägliche Gabe von 10 bis 12,5 µg Vitamin D, das entspricht 400 bis 500 Internationalen Einheiten (IE), bis zum Ende des ersten Lebensjahres. Darüber hinaus empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Menschen, die in Pflegeheimen leben, zusätzlich zur Ernährung 20 µg Vitamin D pro Tag zuzuführen.
Bei gesunden Erwachsenen unter 65 Jahren sieht die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie derzeit in der Regel keinen Grund, Vitamin-D-Präparate einzunehmen. Dem Robert-Koch-Institut zufolge erreicht zwar nur knapp die Hälfte der Deutschen eine als optimal angesehene Serumkonzentration von 20 ng/ml. Das bedeute aber nicht, dass alle anderen einen Mangel haben, betont Birgit Niemann vom BfR. Es könnte aber sein, dass sie ein Risiko für eine Unterversorgung haben. Von einem Mangel sei erst die Rede, wenn die Menschen Symptome hätten.
Wer braucht Vitamin-D-Präparate?
Bevor Verbraucher unkontrolliert zu Nahrungsergänzungsmitteln greifen, sollten sie den Blutserumspiegel kontrollieren lassen. Sofern der Hausarzt den Test nicht veranlasst hat, sind dafür etwa 20 bis 30 € zu zahlen. Wird dabei eine Unterversorgung festgestellt, sollten Patienten mit ihrem Arzt besprechen, ob und in welcher Dosierung die Einnahme eines Vitamin-D-Präparates sinnvoll ist.
Bei einer mangelhaften Versorgung rät die DGE, täglich 20 µg bzw. 800 IE in Form von Präparaten einzunehmen. Höher dosierte Produkte sind als Arzneimittel anzusehen. Sie sollten nur unter ärztlicher Kontrolle eingenommen werden, um eine Überdosierung zu vermeiden.
Reichen die Empfehlungen aus?
Manchen Medizinern gehen die Empfehlungen spezialisierter Fachgesellschaften zur Einnahme von Vitamin-D-Präparaten nicht weit genug. Dr. Uwe Burghardt, Facharzt für Allgemeinmedizin, Ernährungsmediziner und Hausarzt aus Lage, erklärt, warum.
Wann liegt Ihrer Meinung nach ein Vitamin-D-Mangel vor?
Ein mäßiger Vitamin-D-Mangel liegt meiner Auffassung nach bei Werten von 21 bis 29 ng/ml vor, ein deutlicher Mangel bei 10 bis 20 ng/ml und ein schwerer Mangel bei Werten unter 10 ng/ml. Ideal sind Werte von 30 bis 70 ng/ml. Zur Vorbeugung von Osteoporose empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Osteologie eine tägliche Zufuhr von 800 bis 1000 IE. Ich halte das für zu wenig! Besser ist: 40 bis 60 IE pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag.
Der Bedarf lässt sich mithilfe der Eigensynthese decken, wenn 25 % der Haut, zum Beispiel Hände, Arme und Gesicht, täglich 15 Minuten der Sonne ausgesetzt werden. Die Synthese in der Haut ist von verschiedenen Faktoren abhängig, wie dem Anteil an UVB-Strahlen im Sonnenlicht, dem Stand der Sonne, dem Hauttyp und dem Alter der Person.
Reichen die Vitamin-D-Speicher des Körpers, um im Winter ausreichend versorgt zu sein?
Auch wenn die Speicher im Fettgewebe in den Sommermonaten ausreichend gefüllt werden, sind sie schnell erschöpft. Sie reichen bei durchschnittlichem Körpergewicht höchstens zwei Monate. Eine Versorgung im Winter ist meiner Meinung nach nicht möglich, ohne mindestens den Tagesbedarf mithilfe von Präparaten zuzuführen.
Wer sollte seine Vitamin-D-Konzentration im Blutserum untersuchen lassen?
Ich empfehle die Bestimmung des Vitamin-D-Speichers für jeden. Es kommt auch schon bei jungen aktiven Menschen zu erniedrigten Spiegeln. Auf jeden Fall sollten Personen ab 40 Jahren die Serumkonzentration untersuchen lassen, möglichst vor den Wintermonaten. Auch bei manifesten Erkrankungen ist eine solche Untersuchung wichtig.
Wann raten Sie zu einer Substitution von Vitamin D?
Ich empfehle inzwischen allen meinen Patienten, eine Vitamin-D-Substitution durchzuführen. Die Bestimmung des Speichers dient dann dazu, die notwendige Einstiegsdosierung, später die Erhaltungsdosierung zu finden.
Bei gut gefüllten Speichern empfehle ich die Gabe von 1000 bis 2000 IE täglich. Bei einem Mangel empfehle ich einmal in der Woche 20 000 IE Vitamin D.
Was ist bei der Einnahme freiverkäuflicher Vitamin-D-Präparate zu beachten?
Man sollte sich an die Dosierempfehlung des Herstellers halten. Probleme bei der Dosierung kann es bei der Einnahme von Tropfen geben, dabei wird häufiger überdosiert. Die regelmäßige Einnahme von höheren Dosierungen, ab 3000 IE pro Tag, sollte nicht ohne Spiegelbestimmung und Rücksprache mit dem Hausarzt erfolgen.
Die Präparate sollten regelmäßig eingenommen werden, möglichst zu einer fettreichen Mahlzeit. Wer an einer Krankheit leidet, sollte vorab den Hausarzt fragen.
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