Rohstoff, Treibstoff, Energieträger: Wasserstoff spielt auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2045 eine große Rolle. Die „Nationale Wasserstoffstrategie“ der Bundesregierung drückt beim Ausbau aufs Tempo. Auch in Westfalen-Lippe nehmen die Projekte Fahrt auf – mit Folgen für Landeigentümer und Bewirtschafter. „Sie sind dadurch betroffen, dass die Leitungen – oft 80 cm dick – in 2 m Tiefe im Boden verlegt werden“, erklärt Hubertus Schmitte. Der Fachanwalt des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) fasst zusammen, was für Landwirte wichtig ist.
Im öffentlichen Interesse
Oberste Priorität: Die Errichtung von Wasserstoffleitungen liegt im überragenden öffentlichen Interesse. Das hat der Bundesgesetzgeber im Energiewirtschaftsgesetz ausdrücklich geregelt. Bevor die Leitungsbetreiber loslegen dürfen, ist ein Genehmigungsverfahren zu durchlaufen. Dies ist das sogenannte Planfeststellungsverfahren. Bei Leitungen mit mehr als 30 cm Durchmesser sind in NRW die Bezirksregierungen für die Planfeststellung zuständig.
Notfalls per Enteignung: Der Ausbau der Leitungsnetze für Wasserstoff ist auch gegen den Willen der Landwirte durchsetzbar. Grundeigentümer, die sich wehren wollen, müssen sich im Planfeststellungsverfahren einbringen und, wenn nötig, gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen. Ist dieser bereits rechtskräftig geworden, kann die Leitung gegen den Willen des Grundeigentümers gebaut werden. Notfalls wird ein Enteignungsverfahren durchgesetzt.
Mit Landwirten verhandeln
Regelungen getroffen: Grundstückseigentümer treiben insbesondere Fragen des Bodenschutzes und der Entschädigung um. Der WLV hat im Dezember 2023 mit den drei Leitungsbetreibern Open Grid Europe (OGE), Thyssengas (TG) und Nowega Rahmenregelungen zum Bau von fünf Wasserstoffleitungsprojekten geschlossen. Diese betreffen folgende Vorhaben:
- Heek nach Epe (HEp)
- Dorsten nach Marl (DoMa)
- Dorsten nach Hamborn (DoHa)
- Heiden nach Dorsten (HeiDo)
- Marbeck nach Heiden (MaHei)
Verhandlung vereinfachen: Der jeweilige Leitungsbetreiber verhandelt mit dem jeweiligen Grundstückseigentümer und -bewirtschafter einen Gestattungsvertrag, damit die Leitung durch die Grundstücke gebaut werden kann. Die Rahmenregelungen dienen dazu, dass nicht jeder Eigentümer/Bewirtschafter alle Details neu verhandeln muss.
In der Bauphase
Bodenschutz: Bei der Planung und Durchführung von Bauvorhaben greifen besondere DIN-Vorschriften – unter anderem ein Bodenschutzkonzept, eine Dokumentation des Bodenzustandes, Messungen und Erhebungen während der Bauphase.
Bodenkundliche Baubegleitung: Zusätzlich ist ein externer ökologischer und bodenkundlicher Sachverständiger dabei. Diese Baubegleitung soll die Bauarbeiten, insbesondere die Rekultivierung, unter den Aspekten Naturschutz und Bodenschutz/Landwirtschaft koordinieren. Sie muss den Zustand des Bodens bei Inanspruchnahme, Leitungsbau und Rekultivierung dokumentieren. Auch darf die Baubegleitung während der Bauphase in die Arbeiten eingreifen. So darf die Baubegleitung die Arbeiten stoppen – nach Rücksprache mit der OGE –, um zu verhindern, dass der Boden irreparabel geschädigt werden könnte. Die Landwirte, die von der Leitungstrasse betroffen sind, benennen dann zusammen mit dem WLV einen berufsständischen Vertreter. Dieser Ansprechpartner darf die Trasse in regelmäßigen Abständen befahren und sich über die Angelegenheiten des Bodenschutzes und der Rekultivierung informieren. Dazu ist eine Rücksprache mit der Bauleitung erforderlich.
Finanzieller Ausgleich
Entschädigung: Für Einschränkungen gibt es Geld, aber auch für schnelle Entscheidungen. Als Dienstbarkeitsentschädigung wurden – je nach Verkehrswert der betroffenen Flächen – Beträge zwischen 4,50 und 10 €/m² Schutzstreifen vereinbart. Flur- und Aufwuchsschäden werden im Baujahr nach den Richtsätzen für landwirtschaftliche Kulturen (Ertragsstufe 4) der Landwirtschaftskammer NRW entschädigt. Höhere Schäden hat der Eigentümer nachzuweisen. Ertragsdepressionen in der Zeit nach dem Baujahr werden entweder durch einen pauschalen Abfindungsbetrag oder individuell durch einen Sachverständigen ermittelt. Verdeckte Mängel werden immer individuell entschädigt. Dabei wird zwar zunächst davon ausgegangen, dass der Schaden durch den Leitungsbau verursacht wurde. Jedoch behält diese Regelung dem Leitungsbauer vor, den Gegenbeweis zu erbringen.
Eilzuschlag: Ergänzend zur Dienstbarkeitsentschädigung wird ein Eilzuschlag gezahlt. Dieser beträgt 1 €/m² Schutzstreifenfläche für jeden abzuschließenden Gestattungsvertrag (Grundeigentümer) oder für jede abzuschließende Bauerlaubnis (Bewirtschafter). Voraussetzung ist, dass der Gestattungsvertrag spätestens sechs Wochen nach Vorliegen eines nachprüfbaren Vertragsangebotes abgeschlossen wird.
Aufwandspauschale: Für die Unterzeichnung erhält der Eigentümer eine Aufwandspauschale in Höhe von 150 €. Der Bewirtschafter bekommt für den persönlichen Aufwand bei der Flächenberichtigung, für die Beantragung von EU-Direktzahlungen und für die Flurschadensabwicklung 500 €. Selbst wirtschaftende Eigentümer erhalten beide Pauschalen.