Die Situation um die ursprünglich im Rothaargebirge freigesetzten Wisente wird immer verworrener:
- Bemühungen, eine neue Trägerstruktur anstelle des in Insolvenz befindlichen Wisent-Vereins zu initiieren, sind ins Leere gelaufen.
- Das NRW-Umweltministerium verweist darauf, dass es zunächst der Region obliegt, eine Lösung zu erarbeiten. An einer Trägerstruktur will es sich nicht beteiligen. Es stellt zwar Fördermittel für eine ganzjährige Fütterung bereit. Diese beantragt aber keiner, um nicht Gefahr zu laufen, den Eigentumsstatus an den Tieren zu erlangen.
- Obwohl sich alle im vergangenen Jahr am „Runden Tisch“ Beteiligten einig waren, dass die Herde – auch für eine eventuelle Fortsetzung des Projektes – zunächst einmal dringend verkleinert werden müsste, sieht die Realität anders aus. Wie Kreisveterinär Dr. Ludger Belke in der Kreisausschusssitzung am Freitag vergangener Woche erläuterte, geht er von 15 bis zu 20 Abkalbungen in diesem Jahr aus. Die Herde würde von 39 auf bis zu 59 Tiere wachsen.
Aus Tierschutzgründen wurden die Wisente über Winter laut behördlicher Anordnung gefüttert und betreut. In dieser Zeit wurde entsprechend der Beschlüsse des „Runden Tisches“ ein gut 24 ha großes Managementgatter um die Tiere gebaut. Integriert ist eine Fang- und Quarantäneanlage, um Tiere separieren und untersuchen zu können. „Den Tieren geht es sehr gut“, informierte Belke. Auch die Kühe hätten genügend Rückzugsmöglichkeiten zum Abkalben.
Verbringen nur mit Quarantäne
Aufgrund des unklaren genetischen Status zeigen andere Artenschutzprojekte jedoch kein Interesse an den Tieren. „Es gibt aber Interesse für Beweidungsprojekte“, so Belke. Doch erschwerend kommt nun hinzu, dass NRW aufgrund der Blauzungenkrankheit Restriktionsgebiet geworden ist. Ein Verbringen der Tiere ginge nur bei entsprechender Quarantäne. Doch wem gehören die Tiere überhaupt? Eigentlich dem Wisent-Verein. Doch der hatte nach Erklärung der Insolvenz betont, nicht mehr für die Tiere verantwortlich zu sein und Klage beim Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg eingereicht. Doch die Insolvenzverwalterin hat die freigesetzten Tiere aus der Insolvenzmasse ausgesondert und damit, nach vorherrschender Meinung, den Ball wieder dem Verein zugespielt. Bis zur rechtlichen Klärung wird noch einige Zeit verstreichen. Denn das Gericht hat angekündigt, voraussichtlich erstmals im Oktober 2024 zu verhandeln.
Wisente beschäftigen Kreistag weiter
Was also tun? Die Meinungen der Mitglieder im Kreisausschuss reichten von das Gatter schnellstmöglich öffnen – wie es auch die Landesgruppe des BUND in seiner Klage vor dem VG Arnsberg fordert – bis zu einen Schlussstrich unter das Wisent-Projekt zu ziehen. Sollte das Gatter geöffnet werden, werde sich die Herde teilen. In der Form wie jetzt werde man die Wisente nicht mehr zusammenbekommen, wies der Kreisveterinär auf die Konsequenzen hin. „Ein Management ist dann nicht mehr möglich“, brachte es Kreisdezernent Arno Wied auf den Punkt. „Doch haben wir derzeit noch die Legitimation, das Gatter aufrechtzuerhalten? Um überhaupt weiter agieren zu können, benötigen wir den Auftrag dazu.“ Mehrheitlich stimmten die Ausschussmitglieder daher für folgende Beschlussvorlage: „Der Landrat und die (…) verbliebenen Vertragsparteien des Freisetzungsvertrages werden gebeten, (…) die laufenden Bemühungen zur Reduzierung der Herdengröße und zu einer den Anforderungen gerecht werdenden Betreuung der Tiere in gemeinsamer Verantwortung fortzusetzen (…) und durch den Abschluss von Vereinbarungen mit den Trägern anderer Projekte im In- und Ausland, die Tiere aus der Herde (…) übernehmen könnten. Auf Wunsch der CDU-Fraktion folgte der Zusatz: „unbenommen der Frage nach der Gattersituation.“ Im Juni wird sich der Kreistag erneut mit dem Thema Wisente befassen.
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