Lukas Lübbers war heute schon früh mit dem Rad unterwegs. 2,5 km sind es aus Ostbevern (Kreis Warendorf) zur Firma Stricker in der Bauerschaft Überwasser. Um kurz vor 6 Uhr gehen hier jeden Morgen die Lichter in den Werkstätten und der Montagehalle an. „Anfangs war das gewöhnungsbedürftig“, sagt Lukas lachend. Der 17-Jährige ist im zweiten Jahr seiner Ausbildung zum Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker. Heute montiert er Klappen an einem neuen Viehanhänger, mit dem ein Kunde künftig Rinder transportieren möchte. Nebenan arbeiten Kollegen an einem Anhänger, mit dem eine bekannte Spirituosenmarke bald auf Festivals präsent sein möchte. Im Nachbargebäude entstehen Aufbauten für Feuerwehrfahrzeuge.
Die Vielfalt zieht
„Viele haben Spaß daran, dass wir sehr unterschiedliche Sachen machen“, sagt Yvonne Stricker. Die 38-Jährige hat nach dem Wirtschaftsstudium in der Industrie und der Wirtschaftsförderung gearbeitet. Vor fünf Jahren kehrte sie in den elterlichen Betrieb zurück. Dort kümmert sie sich um das Büro und das Thema Personal, die Ausbildung ist eine wichtige Säule. „Wir sind spezialisiert auf nicht Alltägliches.“ Und dafür braucht es Mitarbeiter mit tiefer Fachkenntnis. Viele der heute rund 20 Gesellen haben schon ihre Ausbildung im Unternehmen absolviert.
Als Wilhelm Stricker im Jahr 1985 seinen Betrieb gründete, nahm er eine Tradition wieder auf. Schon 1901 hatte sein Großvater auf dem Hof ein Gewerbe angemeldet. Hinter Strickers Schreibtisch im einstigen Schweinestall hängt eine technische Zeichnung. Das mehr als 100 Jahre alte Blatt zeigt eine elegante Kutsche, mit klappbarem Verdeck und tiefem Einstieg. Der Großvater war ein Tüftler, der vor allem aber Stürz- und Bockkarren für die Bauern der Umgebung baute.
Technische Herausforderungen meistern
Auch Wilhelm Stricker, meist im grauen Kittel zwischen Büro und Betrieb unterwegs, schätzt die technischen Herausforderungen seines Berufs. Er zählt auf, was alles zu bedenken ist, wenn ein Kunde einen Anhänger bauen lassen möchte, der genau seinen Anforderungen entspricht. Die Liste reicht von der Straßenverkehrsordnung über Abgasnormen bis zum TÜV. „Da muss ich auch mal anrufen und klären, ob das abnehmbar ist“, betont der 65-Jährige. Nach Techniker- und Meisterprüfung hat er vier Jahre als Konstrukteur in der Industrie gearbeitet. Dann zog es ihn in die Selbstständigkeit. In der Scheune fing er an, inzwischen gibt es auf dem ganzen Hof Werkstätten.
Am besten mit „3D-Blick“
Vier junge Leute stecken aktuell in der dreieinhalbjährigen Ausbildung. Bei ihnen prüfen die Strickers vorab vor allem, ob sie den „3D-Blick“ haben, unter anderem bei ein bis zwei Wochen Praktikum. Räumliches Vorstellungsvermögen ist das A und O für den Beruf. „Ich bin ein Fan von Legotechnik“, betont Willi Stricker.
Vorteile haben diejenigen, die zu Hause schon einmal geschraubt haben. Das werde leider weniger, bedauert der Chef. In Ostbevern hat sich das Unternehmen deshalb an der Einrichtung eines Technikraums in der Sekundarschule beteiligt. Wenn Berufsorientierung angesagt ist, fährt auch mal ein Bus zu den Strickers. Beim vergangenen Mal konnten die jungen Besucher eine Handy-Halterung bauen.
„Cool, wie man aus Blech Sachen machen kann“, findet Tim Niester. Der 22-Jährige hat vor knapp zwei Jahren seine Ausbildung abgeschlossen. Jetzt als Geselle spezialisiert er sich zunehmend aufs Schweißen.
Eckpunkte der Ausbildung
Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker sind in verschiedenen Fachrichtungen unterwegs. Sie stellen selbst geplante und konstruierte Bauteile her, ganze Anhänger oder Wohnaufbauten für Caravans. Sie können aber auch Schäden an der Karosserie oder dem Fahrwerk von Autos beheben oder Oldtimer restaurieren. Weil das Feld so vielfältig ist, gibt es in der Ausbildung inzwischen drei Fachrichtungen:
- Karosserie-Instandhaltungstechnik,
- Karosserie- und Fahrzeugbautechnik und
- Caravan- und Reisemobiltechnik.
Die Ausbildung dauert dreieinhalb Jahre. Mindest-Voraussetzung ist ein Hauptschulabschluss. Der Unterricht an der Berufsschule findet in Blöcken statt.
Absolventinnen und Absolventen können die Weiterbildung zum Meister oder Techniker absolvieren oder sich für ein Studium, etwa im Bereich Maschinenbau, bewerben. Eine weitere Möglichkeit ist die Fortbildung zum Restaurator.
Der Bruttolohn in der dreieinhalbjährigen Lehre – sofern der Ausbildungsvertrag ab dem 1. Januar 2023 abgeschlossen wurde – liegt bei 720 € im ersten Lehrjahr, 780 € im zweiten, 880 € im dritten und 950 € im vierten Lehrjahr.
Mit Studium zurück
Mitten in der Werkstatt gibt es auch ein kleines Meisterbüro. Hier bereiten Werkstattmeister Thomas Lührmann und Techniker Markus Löbbert die Aufträge vor. Der 29-Jährige hat sich nach der Ausbildung im Betrieb zum Maschinenbaustudium entschlossen. Die Strickers haben ihn ermutigt. Potenziale muss man ausschöpfen, finden sie. Jetzt hat Markus Löbbert den Bachelorabschluss in der Tasche und ist ins Unternehmen zurückgekehrt. „Das Familiäre, das ländliche Miteinander hat mir schon in der Ausbildung gefallen“, sagt er. Als Projektleiter setzt er die Wünsche der Kunden in technische Zeichnungen um und stimmt die Umsetzung mit dem Meister und den Kollegen ab.
„Diese Umsetzung von der Theorie in die Praxis, das ist der Knackpunkt in unserem Beruf“, betont Wilhelm Stricker. Das zu beherrschen, das mache einen guten Karosserie- und Fahrzeugbauer aus.
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