Tropische Pflanzen
Start-up in der Friedhofgärtnerei
Ein Biologenteam hat geschafft, was heute selten gelingt: Die Freunde sind erfolgreiche Gründer einer Exoten-Gärtnerei. Bestellungen gehen aus ganz Europa ein.
Farne wedeln im feuchtwarmen Nebel. Der Pfeffer wächst bis unters Glasdach. Fleischfressende Pflanzen sperren ihre schlundartigen Kannen auf. Darüber wabert der durchdringende Geruch nach verendetem Tier. Patrick Schlütting scheint das nichts auszumachen. Der Botaniker ist einer der drei Inhaber der Spezialgärtnerei „Jungle Leaves“, und der Stinker zählt zu seinen Lieblingen: „Amorphophallus konjac blüht und lockt aasfressende Insekten zur Bestäubung an.“ Aasblumen zählen ebenso zu Schlüttings Fachgebiet wie Moosfarne, deren Blätter metallisch glänzen. Die Leidenschaft für tropische Zimmer- und Terrarienpflanzen teilt er mit Nils-Bendix Schmitz und Alexander Ruppert. Zusammen machten sich die drei Freunde nach dem Masterstudium der Biologie selbstständig.
Wissbegierige Sammler
2021 haben sie eine ehemalige Friedhofsgärtnerei in Herten, Kreis Recklinghausen, gepachtet und das Gewächshaus für ihre Pflanzen umgebaut. „Fast wie im botanischen Garten – aber mit Verkauf“, sagt Patrick Schlütting. Dass er tagein, tagaus bei schwülwarmen 25 °C arbeitet, stört den Biologen nicht. Hauptsache, den Pflanzen geht’s gut.
Schon während des Studiums experimentierten Schlütting und seine beiden Freunde auf ihren Fensterbänken und in Terrarien mit allerlei Blattwerk. Sie wurden zu Sammlern und merkten bald, dass die Raritäten zu hohen Preisen gehandelt werden. Zugleich stellten sie fest, dass es für die Kunden wenig zuverlässige und zugängliche Informationen über die exotischen Pflanzen gibt. Zum Beispiel über Pflanzenlampen und die richtigen Substrate.
Als Biologen wissen die Gärtner, dass Anthurien, Orchideen und andere Pflanzen ein Substrat aus Kokosfaserchips nur vertragen, wenn die Kokosschalen nicht in salzigem Meerwasser gereinigt wurden. Das ist aber meistens der Fall. In neutralem Wasser gewaschene Kokoschips sind rar. „Wir recherchieren solche Fragen in wissenschaftlichen Quellen. Dadurch kultivieren wir langlebige Pflanzen und lösen die Probleme unserer Kunden“, erklärt Patrick Schlütting.
Mangroven fürs Terrarium
Ein besonderer Kundenkreis sind für ihn die Terraistiker, also Menschen, die Freude am Terrarium haben. In Glasgefäßen bilden sie Miniaturlandschaften nach. Dazu benötigen sie klein bleibende Pflanzen, etwa Farne und winzige Mangroven. Leben auch noch besondere Tiere in den Gefäßen, etwa seltene Frösche, kann der Zoologe im Verkaufsteam mit seinen Fachkenntnissen punkten.
Rund 700 Pflanzenarten hat die Spezialgärtnerei im Angebot. Seltene Begonien sind ebenso darunter wie tropische Nutzpflanzen oder Aufsitzerpflanzen, die ohne Erde auskommen. „Etliche Pflanzenarten vermehren wir selbst. Wir kaufen auch Jungpflanzen zu, potten sie fachgerecht um und ziehen sie zu kräftigen Verkaufspflanzen heran“, gibt Patrick Schlütting einen Einblick in die Produktion. Zum Markenzeichen der Gärtnerei sind Pflanzen geworden, deren Laub im Licht irisiert, also in verschiedenen Farben schillert. Der Betrieb erreicht seine Kunden über die Firmenwebsite, über die Verkaufsplattform mit dem „e“ und durch Videos mit Youtube-Promis aus der Pflanzenszene. Anders als zunächst geplant, nimmt der Verkauf vor Ort zu. Denn die Kunden schätzen die einzigartige Atmosphäre in der Gärtnerei und das Beratungsgespräch.
Pflanzenpass zum Versand
Rund 60 % der Bestellungen werden versendet. „Wir können innerhalb von ganz Europa liefern. Dazu brauchen die Pflanzen einen sogenannten EU-Pflanzenpass“, erklärt Schlütting. Manche Pflanzen gehen während ihrer Winterruhe als Knolle auf die Reise. Andere kommen aufwendig gepolstert und verpackt ins Paket. Temperatur und Versanddauer haben die Gärtner dabei stets im Blick. Der Versand in Länder außerhalb Europas ist für die Gärtnerei zurzeit aufgrund der strengen Pflanzeneinfuhrbestimmungen unmöglich. Besonders hart trifft das die pflanzenverliebten Briten. Schlütting schwankt zwischen Mitgefühl und Unverständnis: „Das hätten sie sich vorher überlegen sollen.“
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