Interview

„Warum wird der Leerstand nicht genutzt?“

Prof. Kirsten Schemel lehrt an der Münster School of Architecture. Für sie gibt es viele gute Gründe, alte (Bauern-)Häuser neu zu nutzen.

Aus welchen Gründen spielt das Thema „Bauen im Bestand“ bei der Ausbildung junger Architektinnen und Architekten heute eine so wichtige Rolle?

Wenn man an das Thema Bauen nachhaltig herangeht, dürfte man gar nicht mehr neu bauen. Auch deshalb beschäftigt sich inzwischen ein Großteil der Entwurfsprojekte an unserer Münster School of Architecture mit Bauen im Bestand. Das ist besondere Herausforderung und möglicher Vorteil zugleich: Man hat etwas Konkretes, mit dem man sich auseinander­setzen muss. Ich habe mit meinen Studierenden bereits in Kaufhäusern, Kirchen, Kinos, Observatorien, aufgelassenen Fabriken, ehemaligen Krankenhäusern, früheren olympischen Bauten und auch in dörflichen Beständen gearbeitet.

Wie geht man angemessen mit ­solchen Gebäuden um?

Der Anspruch sollte sein, dass man die Historie der Nutzung ablesen kann. Dazu ist es wichtig, die Bestandsgebäude auch wirklich zu verstehen. Wie kommt es zur Struktur? Warum ist das Gebäude so wie es ist? Und bei der Planung einer neuen Nutzung: Wie kann man neue technische Herausforderungen meistern und trotzdem Schönheit und Geschichte erhalten?

Wie können Besitzerinnen und ­Besitzer alter Häuser vom Know-how der Studierenden profitieren?

Tatsächlich wollen, können und dürfen wir die Zusammenarbeit mit einem Architekturbüro nicht ersetzen. Wir liefern exemplarische Denkanstöße für den Entwurf und mögliche Ausführungen. Wer über die neue Nutzung eines Gebäudes nachdenkt und uns ins Boot holt, macht sich die eigene ­Situation bewusster. Der Blick wird geschärft.

Welche Sorgen haben Sie, wenn Sie auf den deutschen Wohnungsmarkt schauen?

Vor allem habe ich die Sorge, dass die Verstädterung weiter zunimmt. Die Stadt ist nicht zwingenderweise lebenswert für alle. Mein Wunsch ist, dass wir Ressourcen richtig nutzen. Wenn wir pro Jahr 400  000 neue Wohnungen brauchen, warum wird dann Leerstand nicht genutzt? Es braucht grundsätzlich ein anderes Bekenntnis zum Regionalen. Das ist ein Appell an unsere Zunft und an die Gesellschaft.

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