Zahlreiche kleinbäuerliche Familien, fehlende Wertschöpfung und ein niedriger Mechanisierungsgrad – das prägte die Landwirtschaft in Westfalen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Eine ähnliche Situation heute in Uganda. Seit 2012 engagiert sich der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) im Nakasongola Distrikt, etwa 120 km nördlich der Hauptstadt Kampala. Gemeinsam mit der Caritas vor Ort und dem Internationalen Ländlichen Entwicklungsdienst (ILD) als Koordinator leistet der WLV dort Hilfe zur Selbsthilfe, um die Kleinbauern aus der reinen Subsistenzwirtschaft zu führen.
Dorfbank für Familien
WLV-Vizepräsident Michael Uckelmann war im März zehn Tage in Uganda. Unter anderem im Ort Luweero machte sich der Schweinehalter aus Dülmen-Hiddingsel ein Bild von dem Projekt. Dort haben zum Beispiel etwa 20 Bauernfamilien eine Art Dorfbank gegründet, um größere Investitionen tätigen zu können. Jede Familie zahlt umgerechnet 1 € pro Woche ein. Zum Vergleich: Ein Maurer in Uganda verdient umgerechnet 3 € am Tag. Am Ende des Jahres wird die Einlage verzinst. „Das Geld wird in einer großen Metallbox gesammelt. Sie hat drei Schlösser. Die einzelnen Schlüssel wechseln zur Sicherheit von Familie zu Familie“, erzählt Uckelmann.
In den meisten Gemeinschaften fehlt Geld. „Weniger als 30 % der Einwohner Ugandas haben ein Sparkonto“, sagt Hermann Schuten vom ILD. Direkte Geldgeschenke seitens der Projektträger sind aber tabu. Wichtiger ist vielmehr, ein Spar- und Investitionssystem zu etablieren. Das soll den Bauern Zugriff auf größere Summen bis hin zu einem überregionalen Fonds ermöglichen. Darüber lässt sich zum Beispiel eine genaue Vermessung des Landes erreichen sowie der Erwerb von Landrechten. „Die meisten Bauern bewirtschaften nur das Land. Ihnen fehlen die Eigentumstitel“, erklärt Schuten die rechtlich ungeklärte Situation. Dadurch haben sie auch keinen Zugang zu anderen Krediten.
Mühle in Genossenhand
Die größten Herausforderungen, mit denen die Kleinbauern zu kämpfen haben, sind die Preisschwankungen beim Mais und Kaffee. „Wenn die Preise einbrechen, ist ein einzelner Bauer aufgeschmissen. Er muss sich auf die reine Subsistenzwirtschaft zurückziehen“, beschreibt Schuten. Daher geht es darum, die Vermarktung in die Hand der Bauern zu geben und den gierigen Zwischenhandel in den Regionen lahmzulegen.
„Das gibt den Bauernfamilien die nötige Widerstandsfähigkeit“, erklärt Schuten. Über Genossenschaften und Kooperativen der Kleinbauern konnte der ILD im Nakasongola Distrikt den Zwischenhandel ausschalten. Eine kleinbäuerliche Genossenschaft betreibt an einer wichtigen Straße, die von Kampala in Richtung Südsudan führt, ein Lager und eine Mühle für Mais. „Damit können sie Maismehl als Sackware dem Welternährungsprogramm im nördlichen Nachbarland liefern“, sagt Schuten.
Die Maismühle hat Uckelmann besichtigt. Maismehl ist vor allem in den Schulen die wichtigste Speise. „Die Maismühle ermöglicht eine standardisierte und zertifizierte Ware. Damit lässt sich am Handel außerhalb der Region teilnehmen. Das erhöht die Wertschöpfung“, beschreibt Uckelmann. Die Genossenschaft hat etwa 1900 Mitglieder, darunter fast 1000 Frauen. 3000 Bauern liefern ihr ihre Ernte. „Mittlerweile haben viele Familien ein Smartphone. Darüber kann sich jeder Bauer auch in den entlegensten Ecken über die Marktpreise informieren“, sagt Uckelmann.
Für ihn, der sich spontan für die Reise entschieden hat, bleibt es ein unvergessliches Abenteuer. „Die Menschen strahlen trotz aller Probleme eine Lebensfreude und Wissbegierde aus, die ansteckt!“
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