Im Seminar „Hofübergabe von komplex aufgestellten Betrieben“, das die Kreisstelle Coesfeld der Landwirtschaftskammer NRW organisierte, stellten sich Hubertus Schmitte vom WLV und Arno Ruffer von der BSB-Steuerberatungsgesellschaft den Fragen der Teilnehmenden. Hier die spannendsten:
Sie empfehlen uns, neben dem Übergabe-, einen Pflichtteilsverzichtsvertrag abzuschließen. Warum?
Schmitte: Gerade für Betriebe mit gewerblichen Standbeinen können Pflichtteilsergänzungsansprüche der weichenden Erben „lebensgefährlich“ werden. Denn nach Höfeordnung wird nur der Hof selbst zum „günstigen“ Hofeswert, also dem 1,5-fachen Einheitswert, vererbt. Das restliche sogenannte hofesfreie Vermögen wird im Erbfall zum deutlich höheren Verkehrswert bewertet und entsprechend den gesetzlichen Erbquoten unter den Erben aufgeteilt. Jetzt stellen Sie sich den Fall vor: Ein Betriebsleiter übergibt den Hof mitsamt dem hofesfreien Vermögen, zahlt den weichenden Erben dafür aber keine zusätzliche Abfindung. Dann verstirbt er innerhalb von zehn Jahren nach der Hofübergabe. Nun haben die weichenden Erben Pflichtteilsergänzungsansprüche in einer noch völlig unbekannten Höhe. Teils ist die Bewertung auch sehr schwierig und strittig. Selbst, wenn Familien sicher sind, im Erbfall immer noch „am gleichen Strang“ zu ziehen und keine völlig „überzogenen“ Ansprüche anzumelden, könnten etwa hinzukommende Ehepartner das Ganze nochmals durcheinanderwirbeln. Das birgt für den Hofübernehmer ein großes finanzielles Risiko.
Gleichzeitig bietet viel hofesfreies Vermögen auch viel Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Abfindungen. Denn statt hoher Zahlungen könnten auch Vermögenswerte, die der Übernehmer nicht für die Bewirtschaftung benötigt, wie eine Eigentumswohnung, Baugrundstücke oder ein Windrad an die weichenden Erben gehen.
Daher ist es besser, von Anfang an im Rahmen eines Pflichtteilsverzichtsvertrages eine angemessene Abfindungsregelung für die weichenden Erben zu finden, die im Gegenzug einen Pflichtteilsverzicht unterschreiben. Damit wären alle gegenseitigen Forderungen abschließend geregelt, der Übernehmer vor nachträglichen Erbansprüchen geschützt und der Familienfrieden gewahrt.
Im Rahmen eines solchen Vertrages könnten Sie auch beispielsweise regeln, dass die Frau des Übergebers später eigenes Vermögen vererbt als Ausgleich für Verzichtserklärungen. Oft ist es auch so, dass ältere Geschwister bereits etwa in der Familiengründungsphase sind und die Abfindung aus der Hofübergabe gut gebrauchen könnten, der Hoferbe oder die Hoferbin aber in der Ausbildung ist und noch Zeit braucht. Auch das wäre im Rahmen eines Pflichtteilsverzichtsvertrages möglich. Achten Sie bei solch frühen Regelungen aber darauf, dass die Jüngsten in der Familie nicht unter die Räder kommen. Denn oft können die vielleicht gerade einmal 18-Jährigen die Dimension dessen, was sie unterschreiben, selbst noch nicht absehen.
Was gehört denn zum hofesfreien Vermögen, das ich höher abfinden muss als den Hof?
Schmitte: Anlagen und Gebäude, die nicht auf der Hofstelle stehen, sind oftmals hofesfreies Vermögen. Darunter fallen etwa an Dritte verpachtete Stallgebäude, Biogasanlagen mit überwiegend zugekauftem Substrat, dauerhaft fremdvermietete Häuser, Windräder oder Masten. Auch auf dem Dach aufgeschraubte oder Flächen-PV-Anlagen und Baugrundstücke zählen nicht zum Hof.
Zum Hof gehört die Tierhaltung, auch wenn Sie diese in einer 51a-Gesellschaft betreiben. Das Gleiche gilt für eine mit überwiegend eigenen Substraten gespeiste und/oder auf der Hofstelle befindliche Biogasanlage, ein Hofcafé, der Hofladen oder eine dachintegrierte PV-Anlage. Ebenfalls zum Hof gehören Bauland, das Sie weiterhin beackern, sowie fremdvermietete Altenteiler- oder Mietshäuser auf der Hofstelle. Für diese gewerblichen Betriebsteile, die trotzdem zum Hof gehören, ergeben sich aber Zuschläge auf den Einheitswert. Also auch dann müssen Sie höhere Abfindungen an die weichenden Erben zahlen.
Was zum Hof gehört, was nicht, ist vielfach einzeln zu bewerten und oft nicht eindeutig festzustellen. Sie sollten daher nie einfach nur schreiben: „Wir übertragen nach Höfeordnung“, sondern einzeln auflisten, was Sie übertragen.
Ruffer: Dem stimme ich zu. Das Hofesvermögen im Sinne der Höfeordnung ist vielfach enger gefasst als das Betriebsvermögen bei der Einkommensteuer. Ein Mehrfamilienhaus auf eigener Parzelle gehört beispielsweise nicht zum Hofes- aber zum steuerlichen Betriebsvermögen, solange Sie keine Entnahme erklären. Wird es bei der Hofübergabe „aus Versehen“ nicht mitübertragen, käme es ohne weitere steuerliche „Gestaltung“ zu einer kostspieligen Entnahme aus dem Betriebsvermögen.
Auch vor diesem Hintergrund empfehlen Sie, neben einem geplanten Übergabevertrag noch ein Testament zu erstellen. Warum, wenn man alles in Ersterem regelt?
Schmitte: Und genau das ist alles für die Katz, sollte der Übergeber – was sich keiner wünscht – vor der Übergabe sterben. Denn dann entsteht für alles, was nicht der Höfeordnung unterfällt, eine Erbengemeinschaft, auf die sich das Erbe aufteilt. Daher ist es sinnvoll, alles, was Sie im Übergabevertrag regeln wollen, gleichzeitig in einem Testament festzuhalten, insbesondere wenn die Hofübergabe nicht unmittelbar bevorsteht. Aber auch, wenn Sie noch keine Hofübergabe planen, sollten Sie ein Testament verfassen. Haben Sie noch keins, sollten Sie das schnellstens, am besten noch heute nachholen. Damit es aktuell bleibt, sollten Sie es regelmäßig, etwa alle zwei Jahre, erneuern. Das geht auch ohne Notar, sonst fallen unnötig hohe Notargebühren an.
Ruffer: Ginge im Erbfall ohne Testament das Betriebsvermögen, das nicht unter die Höfeordnung fällt, an eine Erbengemeinschaft statt an den Übernehmer, wird das hofesfreie Vermögen, wie etwa sämtliche Gewerbebetriebe – außer dem Erbanteil des Übernehmers daran – dem Betriebsvermögen entnommen. Die Erben müssen dann die stillen Reserven, also die Differenz zwischen Verkehrs- und Buchwert, als Einkommen versteuern. Das kann etwa bei Erbbaurechten oder PV- und Windkraftanlagen sehr teuer werden.
Was gehört denn zum Betriebsvermögen, das bei der geschlossenen Übergabe an den Hofübernehmer von der Schenkungssteuer verschont würde?
Ruffer: Dazu gehört das inländische landwirtschaftliche Vermögen im bewertungsrechtlichen Sinne sowie sämtliche Gewerbebetriebe wie Hofladen, PV, Windkraft, Biogas und Co. Aber auch selbstbewirtschaftetes Bauland und Bauerwartungsland gehören dazu, sowie Beteiligungen des Übergebers an einer landwirtschaftlichen oder gewerblichen Personengesellschaft.
Womit kann ich weichende Erben schenkungssteuerfrei und ohne Aufdeckung stiller Reserven abfinden?
Ruffer: Schenkungssteuerfrei bleiben Abfindungen für die weichenden Erben, solange sie unter dem persönlichen Freibetrag von beispielsweise 400 000 € bei eigenen Kindern bleiben. Wollen Sie mit Grundstücken oder anderen Wirtschaftsgütern abfinden, müssen Sie aber zudem darauf achten, dass Sie keine stillen Reserven aufdecken. Zum Beispiel könnten Sie ein Mietshaus, das Sie nicht auf den Hofübernehmer übertragen, sondern als Abfindung nutzen wollen, in eine GmbH & Co. KG überführen, so eine steuerpflichtige Entnahme des Hauses aus dem Betriebsvermögen verhindern und Anteile daran an einen weichenden Erben übertragen.
Auch Beteiligungen an PV- oder Windkraftanlagen können steuerneutral übergeben werden. Oder Sie beteiligen die weichenden Erben an nicht landwirtschaftlichen Einnahmen wie Einspeisevergütungen, Miet- oder Windkraft-Pachteinnahmen. Das geht auch zeitlich begrenzt.
Hat etwa der Ehepartner Flächen, Wohnungen oder Häuser im Privatvermögen, bieten sich diese ebenfalls als steuerfreie Möglichkeit der Entschädigung an.
Auch beispielsweise PV-Anlagen zum Eigenverbrauch können sich im Privatvermögen befinden und damit als steuerneutrale Abfindung dienen.
Ebenso könnten Sie Wald als Teilbetrieb steuerneutral an weichende Erben abgeben.
Innerhalb der persönlichen Freibeträge von beispielsweise 400 000 € bei eigenen Kindern können Sie generell auch Barvermögen steuerneutral übertragen.
Wie kann man den Freibetrag von 400 000 € „ausweiten“?
Ruffer: Übersteigt etwa der Wert eines Hauses den persönlichen Freibetrag der Tochter oder des Sohnes, könnten Sie zudem vereinbaren, dass Sie den Nießbrauch über die Mietzinsen zurückbehalten. Die Miete malgenommen mit Ihrer restlichen Lebenserwartung ergibt dann den Betrag, der zusätzlich abgezogen werden kann und so über die 400 000 € hinaus schenkungssteuerfrei bleibt.
Nießbrauch können Sie auch an Aktien oder Fonds vereinbaren und auch nur für einen bestimmten Zeitraum.
Wichtig ist nur, dass der Nießbrauch zugunsten des Übergebers und nicht beispielsweise gleichzeitig zugunsten der Ehefrau erfolgt. Anderenfalls könnte der weichende Erbe die Abschreibung etwa des Mietshauses nicht ungekürzt fortführen.
Ist der Freibetrag zwischen dem Übergeber und einem weichenden Erben bereits ausgenutzt, könnte der Übergeber auch beispielsweise eine Wohnung zunächst seiner Ehefrau schenken, die diese dann an das Kind weiterverschenkt. Das nennt man Kettenschenkung. Zwischen Ehefrau und Kind gelten nämlich eigene Freibeträge.
Aber auch zwischen Ehegatten können innerhalb von zehn Jahren nicht unbegrenzt, sondern maximal 500 000 € steuerfrei verschenkt werden. Reicht das nicht aus, bleibt noch die Möglichkeit der „Güterstand-Schaukel“: Haben Sie keine besonderen Vereinbarungen getroffen, leben Sie als Ehepaar in der Zugewinngemeinschaft. Wechseln Sie nun in die „Gütertrennung“, teilt sich der Vermögenszuwachs während der Ehe gleichmäßig und steuerfrei auf beide Partner auf. Dann könnte sowohl der Vater 400 000 €, als auch die Mutter 400 000 € an jeweils dasselbe Kind steuerfrei verschenken. Danach können Sie wieder zurück zur Zugewinngemeinschaft wechseln.
Worauf ist bei der Übergabe von Gesellschaften zu achten?
Ruffer: Etwa bei der Übergabe von 51a-Gesellschaften sollten Sie darauf achten, dass beides, Stall und Grundstück, auf dem der Stall steht, mit der Beteiligung an der 51a-Gesellschaft auf den Übernehmer übergehen. Das Grundstück gehört in der Regel dem Übergeber und stellt Sonderbetriebsvermögen der Gesellschaft dar. Übertragen Sie es nicht, entfällt nicht nur die Steuerbegünstigung bei der Schenkungssteuer für den Stall, sondern es kommt zur Aufdeckung stiller Reserven für den Stall.
Auch bei Biogasanlagen gilt es aufzupassen: Übergeben Sie beispielsweise eine Biogasanlage als KG, müssen die KG-Anteile zwingend an den Übernehmer gehen, der die NawaRos anbaut und die Substrate abnimmt. Und auch hier müssen Sie das Grundstück, auf dem die Anlage steht, zusammen mit den Gesellschaftsanteilen übertragen.
Betreiben Sie den Hof bereits vor der Übergabe etwa als Vater-Tochter- oder Vater-Sohn-GbR, sollten Sie darauf achten, dass der Übergeber Gesellschafter bleibt, also mindestens 1 % der Anteile behält. Fällt ein Gesellschafter weg, würde die Gesellschaft bei der Übertragung sonst gewerblich werden.
Wie sollte ich vorgehen, wenn in den nächsten Jahren die Hofübergabe ansteht?
Schmitte: Klären Sie zunächst, was an wen gehen soll und wie hoch die Abfindungen ausfallen sollen, womit also die gesamte Familie einverstanden ist. Dieser Prozess braucht Zeit. Beziehen Sie immer einen im Agrarrecht versierten Berater und Ihren Steuerberater mit ein. Dann geht es zum Notar, um Übergabe- und Pflichtteilsverzichtsvertrag erstellen zu lassen.
Bisher konnten Höfe nach Höfeordnung zum 1,5-fachen Einheitswert vererbt werden. Der Einheitswert fällt Ende des Jahres weg, was kommt, ist noch unklar. Lohnt es, noch im diesem Jahr nach bekannten Regeln zu übertragen?
Schmitte: Davon würde ich mich nicht hetzen lassen. Zu übertragen, obwohl innerhalb der Familie noch keine Klarheit herrscht, wäre ein großer Fehler. Viele Betriebe legen bereits jetzt die Abfindungen höher fest, als sie sich nach Einheitswert ergeben, da sie die relativ niedrigen Werte als ungerecht für die weichenden Erben empfinden. Schaffen Sie Ihre eigenen Regeln, mit denen alle einverstanden sind und die zu Ihnen passen. Nehmen Sie sich dafür genügend Zeit. Sie sind die Regisseure Ihrer Hofübergabe.