Agri-PV ist ein Ansatz, um Flächenfraß und Nutzungskonflikte zu reduzieren. Agri-PV vereint Photovoltaik und Agrarwirtschaft sprichwörtlich unter einem Dach. Und nicht nur das. Die neue Technologie kann mehr – wenn man sie lässt.
Hoher Aufbau der Solarmodule
Das Besondere an Agri-PV-Anlagen (auch Agro-PV genannt) ist der typische Aufbau. Anders als die bodennah aufgeständerten Photovoltaikanlagen werden die Solarmodule bei Agri-PV je nach Anwendung in fünf bzw. sieben Metern Höhe über dem Feld aufgebaut. Der Landwirt kann die Fläche unter dem PV-Dach dann auch mit großen Maschinen bewirtschaften. Es gibt auch senkrecht stehende Module, die so aufgestellt werden, dass ein Schlepper zwischen ihnen herfahren kann.
Beide Varianten ermöglichen eine Nutzung der Fläche sowohl für die landwirtschaftliche Nahrungs- und Futtermittelproduktion als auch für die Solarstromerzeugung.
Zahlen aus Forschung und Praxis
Allerdings gibt es auch bei Agri-PV durch die Aufständerung, Verankerung und Fundamentierung Flächen- und damit tendenziell auch Ertragsverluste. Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg, Baden-Württemberg, arbeiten daran, diese Verluste gering zu halten bzw. die Erträge sogar zu steigern. In Pilotprojekten gelang es, Anlagen so zu konzipieren, dass der Verlust an landwirtschaftlicher Nutzfläche maximal 10 % der Gesamtprojektfläche beträgt und beim durchschnittlichen Ertrag gegenüber der Fläche ohne Agri-PV nur maximal 20 % verloren gehen.
Die Forscher bescheinigen der neuen Technologie schon längst viel Potenzial. Nach ihren Berechnungen würden theoretisch rund 4% der deutschen Ackerflächen ausreichen, um den gesamten aktuellen Strombedarf in Deutschland zu decken. Dafür wären rund 500 Gigawatt installierte Leistung nötig. Die Produktionskosten beziffern sie auf sieben bis zwölf ct/kWh für hochaufgeständerte Systeme. „Bodennahe Systeme wie senkrecht stehende Module seien auch mit 5 bis 8ct/kWh umsetzbar“, ergänzt Max Trommsdorff, Gruppenleiter Agri-Photovoltaik am Fraunhofer ISE.
Agri-PV: Vorteile für Kulturen bei Dürre
Max Trommsdorff sieht Agri-PV, sowohl auf Kulturland wie Obst- und Weinbau, im Acker- und Gemüsebau als auch auf Grünland (Weide- und Wiesen) und im geschlossenen Pflanzenanbau im Gewächshaus. Die Installation des PV-Dachs habe vor dem Hintergrund zunehmender Unwetterereignisse sogar einen ökologischen Vorteil für die Pflanzen, betont er. Die PV-Module schützen die Pflanzen vor Hagel-, Frost- und Dürreschäden und können andere Schutzmaterialien teilweise überflüssig machen.
Projekt mit der Hofgemeinschaft Heggelbach
Ein Fraunhofer ISE-Projekt auf einem Feld der Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach in Baden-Württemberg zeigt, dass die Teilverschattung bei aufgeständerten Modulen die Ernteerträge bei manchen Ackerfrüchten wie Weizen, Kartoffeln und Sellerie in Dürresommern wie es 2018 der Fall war, steigern können.
Außerdem kann die Beschattung der Fläche die Wasserverdunstung im Boden reduzieren und den Wasserverbrauch in der Landwirtschaft senken.
Hürden im EEG
Solche Projekte wie in Heggelbach und Studien des Fraunhofer ISE zeigen, dass Agri-PV eine Chance für die Landwirtschaft und die Energiewende darstellt. Sofern es gelingt, Strom und Nahrungsmittel parallel auf ein und derselben Fläche zu erzeugen und die Solarstromerzeugung für Landwirte zur stabilen zusätzliche Einkommensquellen wird.
Die größte Hürde dabei ist neben dem Genehmigungsverfahren, Rechtsunsicherheiten oder Fragen zur Fortzahlung von Prämien der regulatorische Rahmen. Zwar will der Gesetzgeber die neue Technologie finanziell unterstützen und nimmt Agri-PV im Rahmen der Innovationsausschreibungen als „besondere Solaranlage“ in das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auf, zugleich setzt er Grenzen:
- Die Nutzung ist auf Acker- und Dauerkulturflächen beschränkt.
- Die Anlage muss mit einem Speicher oder einer anderen Ökostromanlage kombiniert werden.
- Die förderfähige Leistung ist auf 100 KW bis 2 MW begrenzt und der Gebotshöchstwert der fixen Marktprämie, die zum Erlös aus dem Stromverkauf hinzukommt, beträgt 7,5 ct/kWh. Ist das kostendeckend? Max Trommsdorf sagt, ja, zumindest in der Summe, gerade, wenn man die gestiegenen Strompreise der vergangenen Monate berücksichtige.
- Eine weitere Einschränkung ist, dass der Landwirt den Solarstrom nicht selbst nutzen darf.
Gemeinsames Positionspapier zur Förderung von Agri-PV
„Widersinnig“, findet Udo Hemmerling, Deutscher Bauernverbands (DBV). Deswegen erstellten der DBV und das Fraunhofer ISE ein gemeinsames Positionspapier. Sie fordern:
- Eigenverbrauch des Stroms zu ermöglichen und den Punkt „Anlagekombinationen“ zu streichen.
- Da Agri-PV als Anlagetyp neu in den Markt tritt und unter den momentanen Ausschreibungsbedingungen 2022 nicht leer ausgeht, zumal es in Deutschland bisher keine Erfahrungswerte bezüglich der genauen Kosten der Technologie gibt, fordern DVB und ISE ein Kontingent zur Erprobung. „Das Problem nämlich die Konkurrenz zu Freiflächen- und Parkplatz-PV. Alle drei Technologien sind in einem gemeinsamen Topf gelandet und nur die günstigsten Angebote werden sich durchsetzen können“, mahnt Max Trommsdorf.
Die Gebote für die zu fördernden Anlagen müssen am 1. April 2022 an die Bundesnetzagentur abgegeben werden. Die genauen Anforderungen für die Teilnahme an der Ausschreibung sollen zum 1. Oktober 2021 von der Bundesnetzagentur festgelegt werden.