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 (Bildquelle: B. Lütke Hockenbeck)
Dr. Katrin Quinckhardt, Redakteurin(Bildquelle: B. Lütke Hockenbeck)
Auf ein Wort

Dreckige Erdbeerernte

Sie sind weiblich, zwischen 25 und 45 Jahre alt, verheiratet oder verwitwet und haben mindestens ein Kind. Die Rede ist von den Frauen, die sich bei der Erdbeerpflücke in Spanien abrackern. Dabei ist es nicht so, dass nur Mütter das rote Gold pflücken könnten. Es gibt einen anderen Grund, warum viele von ihnen die oben genannten Kriterien erfüllen: Sie sollen nach der Erntesaison in ihr Heimatland zurückkehren. Sie sollen weg. Und zwar dahin, wo sie hergekommen sind, zurück zu ihren Familien.

Bis zu 100 000 legale Saisonarbeitskräfte kommen Jahr für Jahr in die südspanischen Provinzen Almeria und Huelva. Sie leisten die körperlich anstrengende Arbeit, die nur wenige Einheimische tun möchten. Doch Wertschätzung oder gar menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen finden die ausländischen Erntehelfer nicht – von einem akzeptablen Verdienst ganz zu schweigen. Oder wie würden Sie 25 bis 35 € Lohn pro Tag für einen Job bewerten, für den sie bei rund 40 °C in einem Gewächshaus Erdbeeren pflücken? In gebückter Haltung, häufig mehr als acht Stunden lang, an sechs oder auch sieben Tagen in der Woche.

Nach Feierabend kehren die Saisonarbeiter in ihre Siedlungen zurück – in ihre Elendssiedlungen. Dort gibt es oft weder fließend Wasser noch ein funktionierendes Abwassersystem oder gar Strom. Zusammengenagelt aus Paletten und F olien schaffen sich die Menschen dort den benötigten Wohnraum. Dabei müssten den eigentlich, gemäß Tarifvertrag, die Landwirte zur Verfügung stellen. Doch wie so oft eben nur "eigentlich".

Die Obstbauern hingegen beklagen den Preisdruck und die Unzuverlässigkeit des Einzelhandels. Der zwinge sie dazu, die Produktionskosten gering zu halten. Es scheint fast so, als würde so manch einer vergessen, dass es abseits der Zahlen um etwas viel Wichtigeres geht, nämlich um Menschen. Und das hier bei uns in Europa! Mein erster Gedanke: "Ungeheuerlich! Wie können sie nur?"

Mehr als 100 000 Saisonarbeiter kommen jährlich nach Spanien, um Erdbeeren zu ernten. Doch ihre Arbeits- und Lebensbedingungen dort sind oft alles andere als menschenwürdig. (Bildquelle: Nik_Merkulov/stock.adobe.com)
Mehr als 100 000 Saisonarbeiter kommen jährlich nach Spanien, um Erdbeeren zu ernten. Doch ihre Arbeits- und Lebensbedingungen dort sind oft alles andere als menschenwürdig.(Bildquelle: Nik_Merkulov/stock.adobe.com)

Je detaillierter wir die Erdbeerproduktion in Spanien in unserem Einblick ab Seite 12 unter die Lupe genommen haben, desto klarer wurde mir, wie sehr wir hier in Deutschland Teil des Problems sind. Denn der Großteil der in Almeria und Huelva produzierten Erdbeeren ist für uns bestimmt: Deutschland ist Hauptabnehmer. So s tützen wir das dort vorherrschende System der Ausbeutung. Vielleicht wissentlich, vielleicht unwissentlich. Im Ergebnis macht das keinen Unterschied. Fakt ist: Wir tun es. "Wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Menschen", sagte der Schriftsteller Max Frisch in den 1960er-Jahren. Obwohl er damals vermutlich nicht uns und die spanischen Erdbeerpflückerinnen meinte, hallt der Satz nach. Wann immer wir etwas preisgünstig einkaufen, lassen wir andere Menschen dafür zahlen. Und die Rede ist hier bewusst von Menschen und nicht von "Arbeitskräften".

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 (Bildquelle: Wochenblatt)
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