Kommentar: Ampel zwischen Realitätssinn und beinharten Vorgaben
Die Ampelregierung in Berlin bekommt seit Monaten viel Lack ab. Auch in der Landwirtschaft ist das Dreier-Bündnis nicht gut angesehen. Vor allem, weil nach dem Agrardiesel-Aus die versprochenen Kompensationen gefühlt im Sande verlaufen. Ganz nüchtern betrachtet, sieht es aber etwas differenzierter aus: Die Ampel kommt den Landwirten durchaus in einigen Punkten entgegen, bürdet ihr andererseits aber neue Härten auf. Unterm Strich sind die Bauern daher zu Recht unzufrieden.
Zur Ausgangslage: Zu Beginn ihrer Amtszeit hatte die Ampel Ideen, die etlichen Landwirten Sorgen bereiteten – Beispiel Extensivierung. Sie bekam aber auch praxisuntaugliche Vorgaben aus Brüssel diktiert – Beispiel Agrarförderung. Oder ein unliebsames Erbe der Vorgängerregierung aus Union und SPD auf den Tisch gelegt – Beispiel Düngeverordnung.
Zugutehalten muss man dem Bündnis aus SPD, Grünen und FDP: Inzwischen lässt sie zumindest teilweise mehr Realitätssinn erkennen. Sie hat praxisuntaugliche Punkte angepackt oder sich für Verbesserungen eingesetzt. So ist die verpflichtende 4%ige Flächenstilllegung ausgesetzt und Bundesagrarminister Cem Özdemir will das bis 2027 so lassen. Die "Kalender-Landwirtschaft" mit festen Daten zur Mindestbodenbedeckung ist zurückgenommen, die Vorgaben zu Blüh- und Brachflächen sind entschlackt. Das sind erste praktische Erleichterungen. Und: In seltener Harmonie wollen Bund und Länder nun auch die unbeliebte Stoffstrombilanz aufheben – um zu verursachergerechten Maßnahmen zu kommen. Das fordert die Praxis schon lange.
Wäre die Erzählung hier vorbei, fiele das Zwischenfazit ein Jahr vor der Bundestagswahl besser aus. Doch die Geschichte geht weiter. Denn die Ampel treibt gleichzeitig neue beinharte Vorgaben für die Landwirtschaft voran. Zwei Beispiele mit Handschrift der Grünen: Viele Sauen- bzw. Milchviehhalter fürchten durch das novellierte Tierschutzgesetz ihr Aus. Und Ackerbauern sind skeptisch, ob es im "Zukunftsprogramm Pflanzenschutz" tatsächlich um Kooperationen geht – oder nicht doch um schärferes Ordnungsrecht, zumal Minister Özdemir perspektivisch eine "Pflanzenschutzsteuer" nicht ausschließt. Zwei Beispiele mit FDP-Handschrift: Die Ampel will den Vorsteuersatz für Landwirte von 9 % auf 7,8 % drücken. Das würde viele Millionen Euro kosten. Zudem drohen empfindliche Einsparungen im Agrarbudget 2025 – bei sonst überall steigenden Kosten sowie Beiträgen für Landwirte.
Zusammengefasst: Die Belastungen wiegen für Landwirte schwerer als die Entlastungen – auch weil sie jedes Tanken an die wegbrechende Steuererstattung für Agrardiesel erinnert. Landwirte haben das Gefühl "Die Ampel gibt uns ein bisschen, nimmt aber mehr". Die Auflagen und Kosten steigen, der Bürokratie-Abbau zieht sich, die Wirtschaftlichkeit leidet, die internationale Wettbewerbsfähigkeit schwindet.
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Vor allem aber vermissen Landwirte eine Aufbruchstimmung bzw. Vision: Wenn die Beteuerungen der Ampel, dass heimische Landwirtschaft sowie Ernährungssicherung wichtig seien und Klima- sowie Artenschutz nur mit der Landwirtschaft gelingen, ehrlich gemeint sind, braucht es ein klares Zielbild. Und mehr agrarpolitische Entscheidungen in diese Richtung. Dann gäbe es sicherlich auch einmal Lob statt Lack.
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