Es ist ein sonniger, aber eisig kalter Wintertag. Ein schwarzer VWup steht vor der Zapfsäule. Sein Fahrer nimmt den Zapfhahn aus dem Tank und schaut auf die Anzeige an der Säule. 8 kg CNG hat er heute getankt. Damit kommt er gut 200 km weit – zu einem Preis von rund 8 €.
„Bei uns tanken derzeit jeden Tag etwa 30 bis 40 Pkw-Fahrer ihre Autos, hinzu kommen 10 bis 15 Lkw“, sagt Daniel Königs. Der Landwirt betreibt in Neuss eine Biogasanlage mit Gasaufbereitung und seit Anfang 2023 auch eine eigene Bio-CNG-Tankstelle.
Ständige Entwicklung
Gebaut hat Vater Herbert Königs die Biogasanlage zusammen mit seinem Berufskollegen Christian Nellen im Jahr 2006. Zunächst als klassische 500-kW-NaWaRo-Anlage. Anfangs wollte Königs über ein Nahwärmenetz Wohnhäuser und eine Schule versorgen. Doch so hätte er höchstens ein Drittel der anfallenden Wärme sinnvoll nutzen können. Da direkt am Anlagenstandort jedoch eine Gasleitung verläuft, entschied er sich für den Bau einer Gasaufbereitung (Aminwäsche). Von 2011 bis 2021 hatte Königs einen Vertrag mit den örtlichen Stadtwerken und speiste das erzeugte Biomethan vor Ort vollständig ins Gasnetz ein.
„Da wir sinkende Gaspreise befürchteten, haben wir rund zwei Jahre vor Auslaufen des Vertrags angefangen zu überlegen, wie es weitergehen kann. Im Kopf hatten wir zudem, statt auf Mais zukünftig mehr auf Gülle, Mist bzw. Rest- und Abfallstoffe zu setzen“, sagt Königs. Intensiv begann er, sich im Rahmen seiner Bachelorarbeit mit den örtlichen Standortbedingungen sowie alternativen Vermarktungsmöglichkeiten zu beschäftigen. Dabei kam Folgendes heraus:
Der Anlagenstandort in einem Ortsteil von Neuss liegt nicht nur in einer relativ dicht besiedelten Gegend, sondern auch auf einer Strecke, die viele Spediteure und Firmen mit ihren Lkw nutzen.
Im Rhein-Kreis Neuss stehen viele Pferde – allein in einem Umkreis von 1 km um die Anlage gut 300, in einem Umkreis von 5 km sogar mehr als 1000.
So reifte der Plan, in der Biogasanlage möglichst viel Pferdemist als Substrat einzusetzen und das erzeugte Biomethan als Kraftstoff zu verkaufen. „Das hat drei Vorteile“, sagt Königs. „Erstens gehen wir der Tank-Teller-Diskussion möglichst weit aus dem Weg. Zweitens arbeiten wir im Kreislauf: Die Pferdebetriebe erhalten im Gegenzug für den Mist Gärrest als Dünger. Und drittens können wir nicht nur das Produkt Biomethan verkaufen, sondern auch Erlöse über den Verkauf der Treibhausgasminderungsquote erzielen. Das ist entscheidend für die Wirtschaftlichkeit.“
Heute setzt Familie Königs den Mist von etwa 30 bis 40 Pferdebetrieben in der Biogasanlage ein – übers Jahr insgesamt rund 15 000 t. Manche Pferdehalter bringen ihren Mist selbst zur Biogasanlage. Königs verfügen aber auch über mehrere Container, in denen der Mist vor Ort gesammelt wird. Ein Mitarbeiter holt diese dann ab.
„Pferdemist ist als Substrat nicht mit Silomais zu vergleichen. Die Qualitäten schwanken stark“, sagt Königs. Deshalb, wegen des hohen Strohanteils und nicht zuletzt wegen der vielen im Mist enthaltenen Fremdstoffe, hat Königs die Einbringtechnik angepasst und den Pferdemistanteil in der Ration erst nach und nach erhöht. Im Winter, wenn viel Mist anfällt, füttert er eine Ration aus rund 80 % Pferdemist (rund 60 t/Tag), den er mit Gülle, Hähnchenmist und Silomais ergänzt. „Einen Vorteil hat Pferdemist“, sagt der Landwirt, „die Vergärung läuft relativ träge. Damit aber auch stabil. Fehlt einmal Gas, können wir den Prozess mit mehr Silomais puschen.“
Durch verschiedene Maßnahmen wie den Bau eines zusätzlichen Nachgärers, die gasdichte Abdeckung des Endlagers und die Erhöhung der Raumbelastung im Fermenter haben Vater und Sohn Königs die Anlagenleistung nach und nach auf umgerechnet rund 1,3 MWel erhöht.
Pferdemist: Substrat mit Trick und Tücke
Pferdemist hat Vorteile: Er ist in der Region gut verfügbar. Wird das gewonnene Biomethan als Kraftstoff vermarktet, lässt sich zudem über den Verkauf der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) ein Zusatz- bzw. wohl eher das Haupteinkommen generieren.
Aber Pferdemist hat auch Tücken:
Die Qualität (etwa Strohanteil und Trockensubstanzgehalt) schwankt zwischen den Jahreszeiten und von Betrieb zu Betrieb.
Mist ist klumpig und heterogen.
Pferdemist enthält viele Störstoffe wie Holzlatten, Hufeisen, Nägel, Führstricke oder ganze Halfter.
„Technik von der Stange ist für den Einsatz von großen Pferdemistanteilen nicht geeignet“, sagt Königs. Um mit dem schwierigen Substrat zurecht zu kommen, haben Vater und Sohn Königs Eintrag und Aufbereitung des Mistes aus verschiedenen Komponenten zusammengestellt:
Der Vorratsbunker ist mit Kratzboden und Auflösewalzen aufgebaut wie ein Miststreuer. Zusätzlich muss jeder, der den Bunker befüllt, gut aufpassen und gegebenenfalls Störstoffe sofort entnehmen.
Der Transport läuft über Förderbänder. Um Metall oder andere Störstoffe zu erkennen und Schäden zu vermeiden, sind verschiedene Sensoren und Magneten verbaut.
Eine Zerkleinerungsmaschine der Firma bomatic zerkleinert den Mist und mit ihm auch enthaltene Steine oder Hufeisen. „Das funktioniert gut, allerdings ist der Verschleiß sehr hoch“, sagt Königs. Danach fördert eine Flüssigfütterung den Mist in den Fermenter.
Zieltemperatur bei der Vergärung sind 52 bis 55 °C. Der Trockensubstanzgehalt des Gärsubstrats liegt bei 18 bis 20 % – rund 6 bis 7 %-Punkte davon sind Sand. Dieser erhöht den Verschleiß und könnte gegebenenfalls zu Sinkschichten führen.
„Der Arbeitsaufwand hat sich durch die Umstellung von der NaWaRo-Anlage auf die Vergärung von Pferdemist um einiges erhöht“, sagt Königs. Ein Mitarbeiter ist täglich rund vier bis sechs Stunden mit dem Einsammeln des Pferdemistes beschäftigt. Auch der Aufwand für Wartung, Reparaturen und Beseitigung von Störungen ist stark gestiegen. Neben Vater und Sohn Königs arbeiten zwei Mitarbeiter an der Anlage. Einer kümmert sich um Mist, Fütterung und Wartung, der zweite ist Anlagenelektroniker und -programmierer und hilft, die Anlage weiter zu optimieren. Königs Mutter übernimmt die Buchhaltung.
Erweiterung und Umbau
Zur Biogasanlage gehören zwei 250-kW-BHKW. Eins läuft in Grundlast und versorgt mit seiner Wärme die Aminwäsche, den Fermenter sowie Betriebsgebäude und Wohnhaus. Das zweite BHKW produziert bedarfsgerecht Strom. Die Gasaufbereitung schafft einen Biogasdurchfluss von rund 400 m3/h. Das entspricht rund 220 bis 230 m3/h Biomethan. Aktuell verkauft Königs ein Drittel bis die Hälfte des Biomethans über die eigene Tankstelle. Den Rest speist er ins öffentliche Gasnetz ein. Händler vermarkten es für ihn.
Von der Aufbereitungsanlage führt eine Direktleitung zur Bio-CNG-Tankstelle. „Würden wir unser Biomethan ins öffentliche Netz einspeisen und hieraus wieder entnehmen, fielen Netz- und Bereitstellungsentgelte an, die wir uns so sparen können“, sagt Königs und ergänzt einen weiteren Vorteil: „Durch die eigene Leitung bieten wir unseren Kunden die volle Transparenz: 100 % der getankten Moleküle stammen tatsächlich aus unserer Anlage.“ Zwar, so Königs weiter, würden die meisten Kunden über den Preis kaufen, doch die regionalen Kreisläufe und der Klimaschutz durch den CO2-neutralen Kraftstoff seien ebenfalls wichtige Vermarktungsargumente – auch für Privatkunden, in erster Linie aber für Firmen und Spediteure. „Je näher die Unternehmen am Endverbraucher sind, desto wichtiger ist das Klimaschutzargument für sie“, sagt Königs. Zu seinen Kunden gehört deshalb auch ein Spediteur, der unter anderem für die Unternehmen „Fressnapf“ und „Haribo“ fährt.
Das Biomethan kommt mit einem Druck von 100 mbar an der Tankstelle an. Zwei 40-kW-Kompressoren verdichten es. Das entstandene Bio-CNG wird bei einem Druck von 280 bar in Gasflaschen bevorratet, bis ein Fahrzeug zum Tanken kommt. Im Fahrzeugtank beträgt der Druck dann noch rund 200 bar.
An der Tankstelle können die Kunden zwischen zwei Zapfpistolen wählen. Die kleinere ist für Pkw, aber auch für viele Lkw geeignet. Die größere speziell für Lkw. „Eine Wirtschaftlichkeit erreichen wir in erster Linie über den Verkauf der THG-Quote. Müssten wir die CNG-Produktionskosten eins zu eins an unsere Kunden weitergeben, stünde ein Preis von 2 bis 3 €/kg an der Zapfsäule. Damit wären wir bei Weitem nicht konkurrenzfähig“, sagt Königs. Bei der Preisgestaltung orientiert er sich deshalb an anderen Abgebern. Erhöhen sich Steuern, wie etwa Mehrwert- oder Energiesteuer, gibt er dies an seine Kunden weiter.
Pläne für die Zukunft
„Damit unser Unternehmen zukunftsfähig bleibt, gibt es immer etwas zu verbessern“, sagt Daniel Königs. Den Bio-CNG-Absatz an der eigenen Tankstelle möchte er erhöhen. Dabei ist es nicht einfach, neue Kunden zu finden. Im Pkw-Bereich sieht er, spätestens seit VW die Produktion von Gas-Fahrzeugen eingestellt hat, wenig Potenzial – im Gegensatz zum Lkw-Verkehr. Aber: „In vielen Fällen dauern Gespräche und Entscheidungen bei Firmen einfach furchtbar lange“, sagt er. Aktuell plant Königs den Bau einer Anlage, mit der er das bei der Gasaufbereitung anfallende CO2 verflüssigen und schließlich verkaufen kann – eine zusätzliche Einkommensquelle.
Eins ist ihm bei allem besonders wichtig: „Biogas hat ein riesiges CO2-Minderungspotenzial. Es ist der einzige Energieträger, der bei der Produktion nicht nur CO2-neutral, sondern sogar CO2äq-negativ sein kann, wenn durch den Einsatz von Mist und Gülle sonst in der Landwirtschaft anfallende Emissionen vermieden werden. Es ist wichtig, dass die Politik zwischen fossilem CNG und Bio-CNG differenziert und entsprechende Rahmenbedingungen aufstellt. Ansonsten lassen sich die Produktionskosten und das wirtschaftliche Risiko langfristig nicht decken“, sagt er.
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