Bei der Zukunftsgestaltung der Schweinehaltung gehen die Meinungen von Praxis und Politik oftmals weit auseinander. Ein Paradebeispiel dafür ist die Definition eines 2-m-Wendekreises für künftige Bewegungsbuchten im Abferkelstall.
Diese Vorgabe ist vor einiger Zeit durch die Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV) ohne vorherige Beteiligung von Fachberatern in die Ausführungshinweise zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung gelangt und verursacht seither viel Ärger in der Branche.
2-m-Vorgabe sorgt für Ärger
Schließlich sorgt die Formulierung, dass die Sauen zum ungehinderten Drehen in der Bucht eine lichte Weite benötigen, die ihrer Körperlänge entspricht, für eine indirekte Erhöhung der Mindestflächenvorgaben. In den Ausführungshinweisen wird nämlich eine durchschnittliche Körperlänge von 1,93 m genannt und daraus ein Wendekreis von 2 m abgeleitet.
Das dürfte in den spätestens ab Februar 2036 vorgeschrieben Bewegungsabferkelbuchten mit mindestens 6,5 m² Fläche nicht umzusetzen sein, wie Berechnungen der ISN-Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands zeigen. Die Abferkelbuchten müssten dafür deutlich größer als 7,5 m² werden! Das erhöht die Baukosten und erschwert den Umbau vorhandener Ställe.
Doch brauchen die Sauen diesen 2-m-Wendekreis überhaupt? Viele Fachleute haben da ihre Zweifel. Um mehr Klarheit in diese Diskussion zu bringen, haben Forscher der Fachhochschule (FH) Südwestfalen in Soest das Umdrehverhalten der Tiere beobachtet. Was dabei herausgekommen ist, erläuterte Prof. Dr. Martin Ziron bei der Landwirte-Akademie „Tiergesundheit in der Schweinehaltung“.
In der Untersuchung wurde das Tierverhalten in zwei unterschiedlichen Bewegungsabferkelbuchten gefilmt und analysiert: In einem älteren Buchtentyp mit 5,7 m2 Grundfläche, der keinen 2-m-Wendekreis ermöglichte, und in einer 8,6-m2-Variante mit mehr als 2 m lichter Weite.
Sauen sind beweglich
Die Videoaufzeichnungen zeigten ganz deutlich, dass sich die beobachteten Sauen ohne Probleme auch in den kleineren Buchten umdrehen konnten. „Die Tiere sind keine starren Gebilde, sondern beweglicher als man denkt. Sauen sind in der Lage, Drehbewegungen auf der Vorder- bzw. Hinterhand auszuführen“, so Ziron: „Und sie können sich so, ohne anzustoßen, umdrehen.“
Die Sauen in den größeren Abferkelbuchten drehten sich auch nicht häufiger um ihre eigene Achse, als die Vergleichstiere. In beiden Buchtenvarianten verbrachten die Tiere ein Großteil der Zeit liegend auf der Seite. Offenbar ist die Bewegungsaktivität insgesamt nicht sehr hoch.
Allerdings wechselten die Sauen in den großen Buchten deutlich häufiger ihre Liegeposition. Das erhöht die Gefahr von Erdrückungsverlusten unter den Ferkeln.
Deshalb sollte das Liegeverhalten der Sauen auch in Bewegungsbuchten soweit möglich gelenkt werden, beispielsweise durch die Geometrie des von der Sau nutzbaren Buchtenbereiches (besser trapezförmig als quadratisch) und die Positionierung von Ferkelnest und Trog.
Wissenschaftlich nicht fundiert begründbar
Die starre Vorgabe eines 2-m-Wendekreises scheint vor diesem Hintergrund jedenfalls wenig sinnvoll. Sie lässt sich wissenschaftlich nicht fundiert begründen und ist auch in anderen Ländern mit ansonsten sehr hohen Tierwohlstandards nicht vorzufinden.
Das haben Prof. Ziron und andere Experten kürzlich bei einer Studienreise in die Schweiz erfahren. Einen 2-m-Wendekreis kennen die dortigen Tierwohlvorreiter nicht. Die Sauen haben auch ohne diese Regelung den Dreh raus.
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