Von außen sieht der blaue 40-Fuß-Container, der in Krefeld neben der Biogasanlage von Werner Schleupen steht, ziemlich unspektakulär aus. Doch hinter den Türen ist eine Menge Technik versteckt. Dazu gehören eine Dampfreformierung mit Wasserstoff-Shift sowie eine Wasserstoffabscheidung durch Durckwechseladsorption. Das Ziel: Aus Rohbiogas sollen grüner Wasserstoff (H2) in Treibstoffqualität sowie reines Kohlendioxid (CO2) gewonnen werden.
Grüner H2 für Bus und Lkw
Die Pilotanlage im Container gehört zu dem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Forschungsvorhaben BioH2Ref. Noch bis Ende 2024 wollen Wissenschaftler der RWTH Aachen in Zusammenarbeit mit dem Betreiber der Biogasanlage sowie der Firma BtXenergy eine Alternative zur Erzeugung von grünem Wasserstoff aus Überschussstrom mittels Elektrolyse erforschen. „In den nächsten Jahren endet für mehr und mehr Biogasanlagen die Zeit der ersten EEG-Förderung. Viele der betroffenen Betreiber suchen nach Anschlusskonzepten für ihre Anlagen“, sagt Christopher Wünning, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Industrieofenbau und Wärmetechnik der RWTH Aachen. Die BtX-Anlage (das steht für Biomasse-to-X) könnte ein solches Anschlusskonzept bieten. Denn neben dem hier erzeugten grünen H2 und CO2 lassen sich auch die Treibhausgasminderungsquote bzw. CO2-Zertifikate verkaufen. Angedacht ist, mit dem Wasserstoff Elektrofahrzeuge mit Wasserstoff-Brennstoffzelle, vorzugsweise Lkw und Busse, anzutreiben. Der Vertrieb soll über eine eigene H2-Tankstelle erfolgen – dezentral erzeugte Energie für die Verwendung vor Ort.
Warum aber der Weg über Wasserstoff? Schließlich lässt sich doch auch Biomethan, komprimiert zu Bio-CNG, in Fahrzeugen einsetzen. „Der Wirkungsgrad ist bei beiden Verfahren mit rund 27 bis 28 % ungefähr gleich, aber Wasserstoff hat Vorteile: Vorort entstehen weder CO2 noch andere Emissionen wie etwa Stickoxide. Das Einzige, was aus dem Auspuff kommt, ist Wasser“, sagt Wünning.
Energie aus Gülle und Mist
Landwirt Schleupen setzt in seiner Biogasanlage in erster Linie Gülle und Mist ein, die in seiner Milchviehherde sowie bei deren Nachzucht anfallen. Hinzu kommen etwas Silomais, Reste von Suppengrün sowie Pferdemist. Insgesamt erzeugt er so 50 bis 100 m³ Biogas pro Stunde, umgerechnet genug für den Betrieb von BHKW mit einer Leistung von 125 bis 250 kWel. Wenn alles läuft, sollen aus der Biogasproduktion von umgerechnet 150 kWel täglich 100 kg H2 entstehen. Damit kann ein Bus bei einem Verbrauch von 5 kg H2/100 km rund 2000 km weit fahren, ein Pkw rund 10 000 km.
Für den Prozess wird dem Rohbiogas im Dampfreformer bei Temperaturen von rund 800 °C Wasserdampf (H2O) zugeführt. So entstehen zwei Teile Kohlenmonoxid (2CO) und Wasserstoff (H2). Danach erfolgt die sogenannte Wassergas-Shift-Reaktion zur CO-Konvertierung, eine exotherme Reaktion, die unter 10 bar Druck und bei Temperaturen von rund 350 °C erfolgt und bei der aus CO und H2O nun CO2 und noch einmal H2 entstehen. In der anschließenden Wasserstoffabscheidung werden die sehr kleinen H2-Moleküle unter Druck durch poröses Material gedrückt und so vom restlichen Gas abgetrennt (Druckwechseladsorption). Der gewonnene Wasserstoff hat eine Reinheit von mindestens 99,7 % und ist damit für den Einsatz in Brennstoffzellen für den Straßenverkehr geeignet.
Tanken unter hohem Druck
An der Biogasanlage Schleupen gelangt der Wasserstoff über eine Gasleitung zur Tankstelle. Hier lagert er in speziellen H2-Flaschen. Jede Flasche wiegt etwa 100 kg und enthält bei einem Druck von 300 bar 1 kg des extrem flüchtigen Gases. Damit ist das Verhältnis des Wasserstoff-Gewichtes zum Gesamtgewicht der Transporteinheit nicht sehr günstig, was für eine Verwendung am besten direkt vor Ort spricht.
Wie hoch die Kosten der Wasserstofferzeugung aus Biogas sein werden, lässt sich bisher nur sehr grob abschätzen. Wünnig geht aber davon aus, dass der Wasserstoff umgerechnet auf den Verbrauch pro 100 km auf jeden Fall mit Strom- und Benzinpreisen konkurrieren kann.
„Wir sehen für die Wasserstofferzeugung aus Biogas ein großes Potenzial“, sagt Wünning. „Rund 10 % der heutigen Biogaskapazitäten würden genügen, um den gesamten öffentlichen Nahverkehr in Deutschland mit Wasserstoff zu versorgen.“
Kosten sprechen für Biogas
Doch Wasserstoff lässt sich auch mithilfe der Elektrolyse aus überschüssigem Wind- und PV-Strom gewinnen. Die Wirkungsgrade der Produktion sind mit 60 bis 70 % bei beiden Verfahren etwa gleich hoch. Aus 55 kWh eingesetzter Energie (das entspricht etwa 10 m3 Biogas) lässt sich 1 kg Wasserstoff (Energiegehalt etwa 33,33 kWh) gewinnen. Ein Unterschied liegt im Wasserbedarf. Dieser ist bei der Dampfreformierung mit 4,5 l pro kg Wasserstoff halb so hoch wie bei der Elektrolyse (9 l je kg H2). Und noch eins: Bei beiden Verfahren fällt Wärme an. Diese kann als Nahwärme oder zur Beheizung der Biogasanlage genutzt werden. Das erhöht den Wirkungsgrad.
„Beide Wege sind möglich. Allerdings sprechen die Kosten für Biogas“, sagt Wünning. Biogas verursacht mit rund 12 bis 16 Cent/kWh zwar die höchsten Stromgestehungskosten. Zum Vergleich: Die Erzeugung von PV-Strom kostet heute bei größeren Anlagen zwischen 3 und 8 Cent/kWh. Doch bei der Wasserstoffherstellung, so Wünning, sieht es anders aus: Hier punktet Biogas mit Gestehungskosten von 6 bis 8 Cent/kWh. Die Elektrolyse an großen PV-Anlagen kostet mit rund 6 bis 12 Cent/kWh etwa genauso viel wie die Elektrolyse mit Windstrom.
Elektrolyse als Weg
Ein Unterschied besteht jedoch noch: Zukünftig wird es mehr und mehr Zeiten geben, in denen die Erzeugung von Wind- und Sonnenstrom höher ist als der Verbrauch. Die Elektrolyse ist dann ein Weg, den aktuell überschüssig anfallenden Strom zu speichern. Biogas hingegen lässt sich speichern und bei Bedarf, also wenn zu wenig Wind- und Sonnenstrom im Netz sind, verstromen. Gegebenenfalls kann es sinnvoll sein, zweigleisig zu fahren: Also bei viel Wind und Sonnenschein Wasserstoff aus Biogas erzeugen, bei Strommangel dagegen das Biogas verwenden, um Strom zu produzieren. „Damit sich die Anschaffung der Technik lohnt, sollte die Biogasanlage eine Mindestgröße von rund 200 kWel haben – je größer desto beser. Wichtig ist, dass der Wasserstoff-Absatz gesichert ist. Die Gewinnung von Wasserstoff ist sicher nicht für jede Biogasanlage sinnvoll. Aber sie wird eine von mehreren Möglichkeiten sein“, sagt Wünning.
Der Betriebsbesuch fand im Rahmen einer Exkursion des NaRoTec e. V. statt.
Lesen Sie mehr: