Die Mehrheit der EU-Agrarminister ist dafür, den Schutzstatus des Wolfes abzusenken. Während ihres Treffens vergangene Woche forderte die finnische Delegation, neben dem Wolf auch den Schutzstatus von weiteren großen Beutegreifern wie dem Braunbär oder dem Luchs zu überprüfen. Genau wie der Wolf benötigten diese Arten nicht mehr den Status „streng geschützt“ in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH). Acht weitere Mitgliedstaaten unterstützten das Schreiben der Finnen an die Agrarminister, darunter Österreich, Rumänien und Italien.
Folgen der Wolfspopulation
In dem Schreiben weist die finnische Delegation auf die vielfältigen Folgen zu großer Wolfspopulationen hin. „Die sozioökonomischen Herausforderungen sind offensichtlich und die Auswirkungen der großen Beutegreifer auf die ländlichen Gesellschaften und auf die Landwirte wachsen Jahr für Jahr“, heißt es.
„Auch in Deutschland breitet sich der Wolf weiter aus und der Schutz von Nutztieren muss weiter verbessert werden“, sagte Agrarstaatssekretärin Silvia Bender. Deutschland befürworte zwar „einen europäischen Ansatz zum Umgang mit den Beutegreifern“. Zum Abbau von Standards im europäischen Artenschutzrecht dürfe das aber nicht führen.
Für den französischen Ministerialdirektor Phillipe Duclaud ist dagegen klar, dass „der Schutzstatus des Wolfes in der Berner Konvention herabzusetzen ist“. Beim Wolfsmanagement gehe es schließlich um den Schutz von Nutztieren, so Duclaud. Österreichs Agrarminister Norbert Totschnig fordert ebenfalls, den Schutzstatus des Wolfes herabzusetzen. „Auch Artenschutz muss sich den natürlichen Entwicklungen anpassen“, sagte Totschnig. Der Wolf habe sich in Österreich „rasant“ verbreitet. Mehr als 700 getötete Nutztiere beklagte Totschnig 2023, einen Großteil im „hochalpinen Gelände“.
Lemke will keine Abschüsse und weiter Streit um „Gloria“-Abschuss
Das Bundesumweltministerium sieht derzeit keinen Handlungsspielraum für ein regional differenziertes Bestandsmanagement des Wolfes. Die Art bleibe geschützt, weshalb Abschussquoten ausgeschlossen seien, betonte Staatssekretär Stefan Tidow. Daran würden auch eine Umlistung von Anhang IV in Anhang V der Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Richtlinie oder das Errei-chen des guten Erhaltungszustands nichts ändern.
Der von Ressortchefin Steffi Lemke auf den Weg gebrachte, beschleunigte Abschuss von Problemwölfen sei aber bereits eine Grundlage „für eine Form von regionalem Bestandsmanagement“, betonte Tidow. Auch wenn das „sicherlich was anderes“ sei, „als das, was Sie verstehen“ unter aktivem Bestandsmanagement, so der Grünen-Politiker.
Mit dieser Einschätzung lag Tidow richtig. Für den Vizepräsidenten des Landvolks Niedersachsen, Jörn Ehlers, und den Präsidenten des Deutschen Jagdverbandes, Helmut Dammann-Tamke, ist das im Koalitionsvertrag verankerte Ziel eines aktiven Bestandsmanagements bislang nicht umgesetzt. Bei dem beschleunigten Abschuss von Problemwölfen handele es sich lediglich um ein Wolfsrissreaktionsmanagement. Dabei gibt es nach Einschätzung von Dammann-Tamke „triftige“ Rechtfertigungsgründe für ein aktives Bestandsmanagement, darunter die Deichpflege in Niedersachsen und die Unbezahlbarkeit des teuren Herdenschutzes.
Auch Wildökologe Prof. Sven Herzog von der Technischen Universität Dresden erhob Einspruch dagegen, dass es sich bei einem beschleunigten Abschuss von Problemwölfen um ein aktives Bestandsmanagement handele. Außerdem berichtete er, dass der Wolf den günstigen Erhaltungszustand in Deutschland inzwischen erreicht habe. Daher plädierte Herzog für mehr aktiven Herdenschutz, durch den der Wolf seine Scheu vor dem Menschen behalten würde. Das sei wichtig, weil Wölfe sehr anpassungsfähig seien und zum Beispiel in Rumänien auch in Städten lebten.
Derweil geht der Streit um den Abschuss der Wölfin „Gloria“ aus dem Raum Schermbeck in die nächste Runde. Das Verwaltungsgericht in Düsseldorf hatte zuletzt entschieden, dass trotz Ausnahmegenehmigung die Wölfin „Gloria“ nicht abgeschossen werden darf. Anlass waren Eilanträge von mehreren Umweltverbänden. Dagegen hat der Kreis Wesel nun Beschwerde eingelegt und setzt sich weiter für einen Abschuss ein.
Die EU-Kommission hatte kurz vor Weihnachten vorgeschlagen, den Schutzstatus des Wolfes in der Berner Artenschutzkonvention herabzusetzen. Nur so könne man das im europäischen Recht, also in der FFH-Richtlinie tun, hieß es. Über diesen Schritt müssen die EU-Umweltminister entscheiden. Wann sich die Umweltminister mit dem Thema befassen, konnte ein Sprecher der belgischen Ratspräsidentschaft auf Nachfrage nicht sagen.
Parlament gespalten
Im Europaparlament zeigte sich der Umweltausschuss vergangene Woche gespalten ob der Pläne der EU-Kommission. Während die Sozialdemokraten ein „schlechtes Weihnachtsgeschenk“ im Vorstoß der EU-Kommission witterten, freute sich ein Abgeordneter der liberalen Renew-Gruppe über ein Weihnachtsgeschenk für den ländlichen Raum. Angesichts von Wachstumsraten von mehr als 30 % pro Jahr, müsse man die Wolfspopulation eindämmen, so der Renew-Abgeordnete.
Ein Vertreter der EU-Kommission verteidigte die Pläne vor den Abgeordneten: „Nur wenn wir unser Vieh und den ländlichen Raum effektiv schützen, kann uns der Wolf ökologischen Nutzen bringen.“
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