Landfrauen: Mehr als Kuchen und Kühe
Ich weiß noch ziemlich genau, was meine Mutter damals von den Landfrauen hielt: Altbacken und verstaubt seien sie. In so einen "Kaffee-kränzchen-Verein" würde sie "mit Sicherheit nicht" eintreten. Wie viel Abgrenzung zu ihrer Schwiegermutter – einer sehr engagierten Landfrau – damals mitschwang, mag ich nicht zu bewerten. Viele Gespräche im Bekanntenkreis zeichnen aber ein ähnliches Bild: Der Landfrauenverband – das war ein klüngeliger Kreis eher älterer Bäuerinnen. Tonangebend, wer die meisten Hektar im Rücken hatte. Die Themen: Kuchen und Kühe.
Heute zeigt sich ein komplett anderes Bild: Landfrauen engagieren sich gegen Populismus, setzen sich ein für die Reform des Ehegattensplittings und eine Mobilitätswende auf dem Land. Sie werden verstärkt als politisch relevante Stimme wahrgenommen – und als Expertinnen dazugezogen. Bundesweit gründen sich immer mehr Gruppen "Junger Landfrauen". Und auch in Medien finden sie anders statt. Auf dem Deutschen Landfrauentag kürzlich in Kiel wimmelte es von Medienvertretern: von "ARD" über "Sat 1" bis zur "dpa" – alle waren da. Vor ein paar Jahren noch waren es höchstens zwei, drei Vertreter der landwirtschaftlichen Wochenblätter. Mit Sicherheit lag der Medienrummel auch an der politischen Prominenz. Aber dass sich Steinmeier, Özdemir, Paus und Günther blicken ließen, ist auch ein Statement.
Doch ist das alles wirklich so anders? Haben sich die Landfrauen tatsächlich neu erfunden? Mitnichten! Sie haben sich schon immer für mehr als Kuchen und Kühe interessiert und für die Bedürfnisse von Frauen auf dem Land eingesetzt. In der Wahrnehmung dominierte allerdings der Kuchen. Gewandelt hat sich das Bild der Landfrauen. Und das liegt vor allem an drei Punkten:
■ Der Vielfalt der Mitglieder. Mit "liebe Ernährungsfachfrau und Equal-Pay-Beraterin, Bäuerin und IT-Influencerin, Existenzgründerin und Mutter, Kommunalpolitikerin und Ehrenamtlerin, Vereinskollegin und Nachbarin" begrüßte Bundespräsident Steinmeier die Landfrauen auf dem Landfrauentag – und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Waren früher Landfrauen und Landwirtschaft noch sehr eng miteinander verwoben, sind aktuell bundesweit noch etwa 20 % der Mitglieder in der Landwirtschaft tätig.
■ Der Vielfalt der Themen. Es geht heute verstärkt auch um Themen mit Breitenwirkung wie Infrastruktur in ländlichen Räumen, Meinungsfreiheit und Demokratie. Dies geschieht, ohne dass "alte" Themen ausgeblendet werden. Alltags- und Ernährungskompetenz sind ebenso Bestandteil der Themenpalette wie der Anspruch, die Bäuerinnen mit starker Stimme zu vertreten.
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■ Der reflektierten Grundhaltung. Die Landfrauen versuchen nicht, den viel zitierten "alten weißen Männern" nachzueifern, um Einfluss zu gewinnen. Sie haben ihren eigenen Stil gefunden. Die Landfrauen und ihre führenden Köpfe poltern nicht rum. Sie treten besonnen auf, sind offen, respektvoll, verbindlich und kompetent. Aber auch: weniger präsidial, als es mitunter früher den Eindruck machte.
Kurzum: Sie haben es geschafft, eine eigene, eine weibliche Handschrift zu entwickeln – und diese auch nach außen hin zu präsentieren. Manch einer täte gut daran, sich an ihnen ein Vorbild zu nehmen.
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