Realismus und Weitsicht
Direkt nach dem Ampel-Aus herrscht Wahlkampf. Im Frühjahr 2025 könnte es wieder eine handlungsfähige Bundesregierung geben. Fast unbemerkt vom deutschen Getöse hat EU-Präsidentin Ursula von der Leyen ihre EU-Kommission besetzt. Damit ist klar: Die Politik in Brüssel sowie Berlin startet neu. Gelingt damit auch ein Neustart für Land- und Forstwirte?
Womöglich sorgt indirekt der künftige US-Präsident Donald Trump dafür. Er formt gerade seine Regierung. Dabei bestätigt sich die Richtung, die schon klar war: "America first" sowie "Make America great again". Trump stellt die Interessen der USA an allererste Stelle. Er will die Wirtschaft ankurbeln und dafür auch Umwelt- und Klimaauflagen senken. Und er will den Kurs in der Außenpolitik ändern: Das eigene Land mit Zöllen schützen, weniger Geld für das Ausland.
Das dürfte die Europäische Union spüren. Ihre Wettbewerbsfähigkeit könnte sinken, Exporte leiden. Vor allem aber ist die EU stärker denn je in der Außen- und Verteidigungspolitik gefordert. Hier unabhängiger von den USA zu sein, kostet viel Geld. Das fehlt an anderer Stelle und verschiebt die Prioritäten im EU-Haushalt sowie den nationalen Budgets. Dabei ist Streit sicher. Auch weil im neuen EU-Parlament viele Abgeordnete vor allem nationale Interessen im Blick haben und kritisch gegenüber Brüsseler Vorgaben sind. Sicher sein dürfte auch, dass das Agrarbudget als großer Posten unter Druck gerät.
Das ist im ersten Moment nicht zum Jubeln. Allerdings kann es die Politik in Berlin und Brüssel dazu zwingen, in der Agrarpolitik realistischer zu agieren. Das fehlte zuletzt. So hatten SPD, Grüne sowie FDP große Pläne: Die Deutschen sollten sich anders ernähren, die Bauern anders wirtschaften, die Forstwirte andere Bäume pflanzen. Doch die Ampel hat weder die Betroffenen noch die, die es umsetzen sollten, mitgenommen. Vieles wirkte übergestülpt – und scheiterte. Genau wie die ambitionierten Klima- sowie Umweltauflagen des Green Deals auf EU-Ebene, die mit pauschalen Reduktionsvorgaben für Pflanzenschutz sowie Dünger viele Bauern empörten.
Es gibt auch aus der Landwirtschaft Stimmen, diese Umwelt- und Klimaziele zurückzudrehen – ähnlich wie Trump. Zumal andere große Kohlenstoffdioxid-Emittenten wie China immer mehr ausstoßen. Doch eine komplette Rolle rückwärts wäre fatal! Denn die Megathemen wie Klimaschutz und Biodiversität bleiben. Und sie gewinnen an Relevanz. Auch in Staaten, die es jetzt noch versuchen wegzudrücken. Das belegen Extremwetterereignisse auf brutale Weise – weltweit, aber auch in Deutschland sowie Europa.
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Vielmehr kommt es nun darauf an, in der Land- sowie Forstwirtschaft realistische sowie umsetzbare Ziele zu setzen. Nur diese finden Akzeptanz. Nur diese wahren die Wettbewerbsfähigkeit. Nur diese kommen in die Umsetzung – und sind damit wirksam für den Umwelt- und Klimaschutz. Dafür brauchen Berlin und Brüssel politischen Realismus und Weitsicht. Ob das in dem aktuellen Getöse gelingt? Zu wünschen wäre es.
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