Dr. Klaus Hünting ist Experte für Futterkonservierung bei der Landwirtschaftskammer NRW.
- Der erste Schnitt steht bei vielen Rinderhaltern an. Bei mäßigen Temperaturen aber extrem viel Regen sind die Bedingungen für eine qualitativ erfolgreiche Silierung nicht optimal. Dr. Hünting, stehen Praktiker vor einer Herausforderung?
Hünting: Ich gehe davon aus, dass wir keine ernsthaften Probleme bekommen. Einzig: Viele Flächen sind noch zu nass, um sie zu befahren. Abgesehen davon, ist der Aufwuchs aber ganz normal. Ausgenommen sind Ackergräser, die sehr üppig in den Winter gegangen sind. Hier könnten Altbestände Kopfschmerzen bereiten – sprich alte Grasreste, die sich tief unter dem jetzigen Aufwuchs an der Narbe befinden. Diese sind qualitativ minderwertiger. Hier ist es ratsam, die Flächen in Augenschein zu nehmen. Wenn abgestorbenes Pflanzenmaterial sichtbar ist, sollte ein Hochschnitt von 8 bis 10 cm angepeilt werden.
- Stichwort: Alter Aufwuchs. Pflegemaßnahmen wie Striegeln oder Schleppen konnten vielerorts nicht zum passenden Zeitpunkt stattfinden. Auch das Ausbringen von Gülle war stellenweise unmöglich, da die Flächen nicht befahrbar waren. Wie beurteilen Sie die Lage?
In manchen Teilen von NRW waren Pflegemaßnahmen nicht möglich. Das jetzt nachzuholen, wäre der falsche Ansatz. Denn dafür ist es in Anbetracht des derzeitigen Aufwuchses zu spät. Das würde aktuell mehr kaputt als gut machen. Außerdem steigt dadurch die Gefahr, mehr Dreck reinzufahren.
- Und genau das soll ja nicht geschehen. Denn hohe Rohaschegehalte im Futter wirken sich negativ auf die Silagequalität aus. Was sollten Praktiker beachten?
Schmutz in Form von Erde oder Maulwurfshaufen zieht den Energiegehalt einer Grassilage runter. Wenn es sich um einen vitalen Grasbestand handelt, mit genug Sonnenstunden und ausreichendem Zuckergehalt, besteht aus siliertechnischer Perspektive keine Sorge. Trotzdem ist gerade dieses Thema ein bisschen ein „Ritt auf der Rasierklinge“. Bei Silagen mit weniger als 30 % Trockenmasse (TM) wird es bei erhöhtem Schmutzgehalt schon schwierig, gute Qualitäten zu produzieren. Bei nassem und verschmutztem Erntegut hilft eigentlich nur noch der Einsatz von Siliermitteln in der Kategorie 1 a (schwer silierbarem Gras mit geringem TM-Gehalt).
- Grundsätzlich wird ein hoher Besatz an natürlichen Milchsäurebakterien angestrebt. Doch dieser ist mit hohen Schwankungen verbunden. Ist die Verwendung von Siliermitteln unverzichtbar?
Der natürliche Besatz gleicht einer „Black Box“. Auch wenn der Anteil an Bakterien hoch genug ist, bedeutet das nicht automatisch, dass sie auch das im Silo machen, was sie sollen. Allein der pH-Wert im Gärverlauf einer Silage kann zu Schwankungen bei der Menge an Milchsäurebakterien führen.
Ich sehe das wie folgt: Keine Brauerei würde ein Bier ohne entsprechende Hefen herstellen, beim Bäcker sieht es nicht anders aus. Silagen mit dem Zusatz von Milchsäurebakterien zu „unterstützen“ – was spricht dagegen? Es handelt sich darum, bestes Futter für unsere Wiederkäuer zu erzeugen, mit wenig Verlusten. Für mich gehört der strategische Siliermitteleinsatz dazu. Nur so können die gewünschten Qualitäten erreicht und gesichert werden. Und bei Siliermittelkosten von rund 10 €/ha reden wir von einer gut angelegten Investition.
- Zahlreiche Siliermittel sind auf dem Markt erhältlich. Welche Empfehlung sprechen Sie aus?
Tatsächlich ist die Wahl schwierig. Deshalb empfehlen wir nur den Einsatz von Siliermittel mit DLG-Qualitätssiegel. Die Vergabe dieses Siegels geschieht übrigens nicht nur einmalig, sondern die Mittel werden jährlich auf ihre Eignung geprüft. Nur so lässt sich versichern, dass die Vorgaben von den Herstellern von Jahr zu Jahr eingehalten werden. Bei der Wahl spezieller Siliermittel können sich Praktiker auf der Internetseite der DLG informieren. Hier werden die kontrollierten Produkte aufgelistet.
www.dlg.org
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