Verzicht auf EU-Prämie?
Stellen Sie sich vor, es ist der 15. Mai und die Agrarprämien sind abgeschafft. Landwirtschaftliche Betriebe erwirtschaften trotzdem ausreichend Gewinne, Agraranträge gehören der Vergangenheit an. Dieser Wunsch steht hinter der immer wieder gestellten Forderung: "Wir wollen gerechte Preise statt Fördergelder."
Doch ist das realistisch oder ist es viel eher so, dass es in einer globalisierten Welt weder gerechte Preise noch gleiche Wettbewerbsbedingungen geben kann? Müssen sich Landwirte wohl oder übel mit Prämienanträgen, Prämienzahlungen und den damit verbundenen Auflagen arrangieren?
Die EU-Agrarpolitik ist von Beginn an durch staatliche Hilfen und Ausgleichsmaßnahmen geprägt. Bereits Ende der 50er-Jahre räumten sechs EWG-Staaten der Landwirtschaft eine Sonderrolle gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen ein. Ziel war es, die Lebensmittelversorgung und die Einkommen in der Landwirtschaft zu sichern.
Die Versorgungssicherheit spielt heute bei der Ausgestaltung der Agrarprämien eine untergeordnete Rolle. Die Europäische Union hat neun weitere Ziele für die Gemeinsame Agrarpolitik formuliert. Damit verbundene Bewirtschaftungsund Umweltauflagen stören viele Landwirte. Sie fühlen sich gegängelt und von der Bürokratie g ebremst. Die Antragstellung ist ein einziger K(r)ampf. (Lesen Sie dazu auch Seite 20 ff.).
Trotzdem gehen nur wenige Betriebsleiter den Schritt und verzichten ganz auf die EU-Prämien. Das hat mindestens zwei Gründe: Zum einen machen die Zahlungen einen erheblichen Teil des Betriebseinkommens aus und zum Zweiten müssen viele Auflagen, z. B. zur Düngung oder zum Grünlandumbruch auch ohne Antrag eingehalten werden. Ein Antragsverzicht ist deshalb aus wirtschaftlicher Sicht meist nicht vernünftig.
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Die Frage ist, wie gehen Landwirte mit dem Dilemma um? Sie können sich weiter darüber beklagen und den Traum von gerechten Preisen träumen oder sie können das Ganze pragmatisch sehen: Landwirtschaft hat in der Gesellschaft einen anderen Stellenwert als noch in den 50erund 60er-Jahren. Das heißt aber nicht, dass sie weniger wichtig ist. Im Gegenteil und das sollten sich Landwirtinnen und Landwirte bewusst machen, wenn sie ihre Prämienanträge stellen. Landwirtschaft hat sich die Prämien verdient, es sind keine Almosen.
Denn die Erwartungen an sie gehen weit über die Ernährungssicherung hinaus, wie die Grafik verdeutlicht. Aber natürlich handelt es sich bei den Prämien um Steuergelder. Ihre Verwendung muss an Bedingungen geknüpft sein und kontrolliert werden.
Wer jedoch ohne Prämienzahlungen auskommen möchte oder kann, soll das tun. Ein gutes Gefühl, etwas mehr Freiheiten im Pflanzenbau und weniger Stress im Mai sind der Lohn.
Ein Modell für die Landwirtschaft generell wird es aber ebenso wenig sein, wie es faire Preise geben wird, die Anträge und Prämien künftig überflüssig machen.
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